„Was machen Sie sich? Strafbar? Ich besuche Sie dann im Knast. Und jetzt geben Sie mir die Tabletten!“ Was wir in Apotheken erleben, wenn Ärzte im Urlaub sind.
Bei uns in der Vorstadt ist neulich auch der „Hausarzt für alle Fälle“ in den wohlverdienten Urlaub gegangen. Ob er nun weggefahren/geflogen ist, entzieht sich meiner Kenntnis, aber er hinterlässt ein Trümmerfeld, könnte man meinen.
Seit Montag kommt ein Kunde nach dem anderen herein, dem die Medikamente ausgegangen sind. Die (für mich wenigstens) normale Alternative, wenn der Hausarzt im Urlaub ist, wäre die, damit zur offiziellen Vertretung zu gehen. Für viele Kunden scheint das undenkbar zu sein.
„Was? Nee, ich fahre doch nicht noch drei Stationen mit dem Bus weiter!“
„Ich kann die Frau nicht leiden, da gehe ich nicht hin“
„Die kenne ich doch gar nicht, was soll ich denn da sagen?“
„Jetzt stellen Sie sich mal nicht so an!“
Und bei was sollen wir uns nicht so anstellen? Genau, bei der Herausgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten ohne Rezept.
„Ich komme seit 60 Jahren zu Ihnen, da können Sie doch mal eine Ausnahme machen!“
„Ich brauche die aber. Wenn ich jetzt sterbe, sind Sie schuld!“
„Jetzt bin ich aber sehr enttäuscht von Ihnen. SEHR enttäuscht!“
„Sie WOLLEN mich nicht verstehen!“
„Was machen Sie sich? Strafbar? Ich besuche Sie dann im Knast. Und jetzt geben Sie mir die Tabletten!“
Es macht auch mir keine Freude, Nein zu sagen. Und nein, ich erfreue mich auch nicht an der „Machtposition, die ich ausspielen kann“. Ich. Darf. Es. Nicht!
Das alles erinnert mich fatal an Tollabea und ihr Lamento, dass sie ihre „Pille“ nirgends ohne Rezept erhalten hat, nachdem sie es nicht auf die Reihe bekommen hatte, sich rechtzeitig darum zu kümmern.
Kann mir einmal jemand sagen, seit wann die eigene Dusseligkeit es rechtfertigt, andere für die daraus resultierenden Probleme verantwortlich zu machen? Man kann sicherlich einfach mal in Unkenntnis der rechtlichen Situation anfragen. Aber wenn die Antwort ein „Sorry, aber ich darf es nicht“ ist, dann hat man das auch zu akzeptieren.
Dasselbe ist es, wenn Kunden in die Apotheke kommen, Dinge haben wollen, sie einpacken und dann sagen „Zahle ich demnächst irgendwann, ich habe gerade das Portemonnaie nicht dabei“. Das macht man einfach nicht. Man fragt VOR DEM KAUF, ob es ok ist, wenn man erst später bezahlt, nicht erst, wenn die Ware schon eingesackt wurde.
Höflichkeit und Anstand bleiben immer mehr auf der Strecke, während der Egoismus und ein Anspruchsdenken um sich greifen, die es in diesem Ausmaß früher gefühlt nicht gab. Wie empfindet ihr das? Beobachte nur ich diese Tendenzen?
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