Während der COVID-19-Pandemie befinden sich viele Länder in einem Lockdown. Die Einschränkungen wirken sich aber nicht nur auf Menschen aus, sondern tragen auch zum Verhalten von Haustieren bei.
Die für die Eindämmung der Pandemie auferlegten Restriktionen führen in erster Linie zu massiven Einschränkungen von sozialen Kontakten. Viele Menschen suchen daher vermehrt den Kontakt zu ihren Haustieren, um der Einsamkeit zu entfliehen. Dass sich Einsamkeit negativ auf die Gesundheit von Menschen auswirkt, ist weitläufig bekannt. Dementsprechend positiv kann sich der enge Kontakt zu den tierischen Familienmitgliedern auf das Wohlbefinden der Menschen auswirken. Nun stellt sich jedoch die Frage, welche Auswirkungen der Lockdown und der intensive Kontakt zu ihren Besitzern auf die Vierbeiner hat. Verhaltensexpertin Nadja Affenzeller von der Vetmeduni Vienna sowie zwei in Europa durchgeführte Studien geben Antworten auf diese Fragen.
Die stressreduzierende Wirkung von Tieren auf den Menschen konnte schon mehrfach wissenschaftlich belegt werden. Dass Menschen in emotional fordernden Situationen vermehrt den Kontakt zu ihren liebsten Vierbeinern suchen, wissen viele aus eigener Erfahrung.
Jonathan Bowen und seine Kollegen untersuchten die Auswirkungen des spanischen Lockdowns auf die Menschen, deren Haustiere und wie sich die Beziehung zwischen Mensch und Haustier veränderte. Rund die Hälfte aller Befragten gaben an, dass ihre Haustiere einen wesentlichen Beitrag dazu leisteten, den Alltag während dieser Pandemie zu meistern. Auch britische Forscher bestätigten eine verstärkte Bindung zwischen Tier und Tierbesitzer während der Pandemie.
Tiere vermitteln Zuneigung, spenden Trost und gewährleisten den Besitzern Sicherheit und Stabilität. Durch die Anwesenheit der Vierbeiner kann ein Teil der sozialen Einschränkungen im Lockdown kompensiert und so ein wesentlicher Beitrag zur mentalen Gesundheit beigetragen werden.
Die sogenannte Abpufferungshypothese (buffering hypothesis) besagt, dass Menschen mit starker sozialer Unterstützung unter belastenden Umständen weniger stark darunter leiden, als jene ohne soziale Unterstützung. Dem zugrunde liegt die Vermutung, dass das durch soziale Unterstützung geförderte Wohlbefinden negative äußerliche Einflüsse (z. B. Lockdown-Maßnahmen) abfangen bzw. abpuffern kann.
Da Haustiere häufig als eigenständiges Familienmitglied angesehen und somit zur sozialen Gruppe des Familienbundes gezählt werden, sind diese bereits durch ihre Anwesenheit in der Lage, Stressituationen abzufangen und maßgeblich zu reduzieren.
Bowen et al. befragten im Rahmen der Datenerhebung insgesamt 1.297 Tierbesitzer (61 % Hundebesitzer, 39 % Katzenbesitzer). Die Studienautoren wollten herausfinden, unter welchen Sorgen und Ängsten die Tierbesitzer während der Lockdown-Maßnahmen leiden.
Ein Großteil der Befragten gaben dabei an, dass sich viele Gedanken um das Wohlbefinden ihrer Vierbeiner drehen. Rund 61,7 % der Hundebesitzer waren besorgt darüber, ihre täglichen Spaziergänge nicht wie gewohnt durchführen zu können, während Katzenbesitzer über die tierärztliche Versorgung ihrer Tiere während des Lockdowns verunsichert waren.
Die Lockdown-Maßnahmen ändern den Tagesablauf der Tierbesitzer, schränken die Freizeitmöglichkeiten massiv ein und verändern auch den Alltag des Haustieres. Aufgrund der beengenden Maßnahmen ist die allgemeine Stimmung im Haushalt angespannter, sodass Konfliktsituationen innerhalb der Familie schneller eskalieren. Durch die emotionale Belastung und der geänderten täglichen Routine kann es auch zu Auswirkungen auf die Verhaltensweisen von Hunden und Katzen kommen.
Bowen et al. geben zwar an, dass kurzweilige (wenige Wochen andauernde) Lockdown-Phasen zu keinen dramatischen Verhaltensänderungen beim Tier führen. Dennoch können bereits bestehende Verhaltensauffälligkeiten aufgrund der Veränderungen verstärkt werden. Durch die Befragung konnte bestätigt werden, dass bei 24,7 % der Hund unter Lockdown-Bedingungen verstärkte Verhaltensauffälligkeiten beobachtet werden können (z. B. übermäßige Vokalisation). Ob diese Veränderungen den abweichenden häuslichen Gegebenheiten (vermehrte Stresssituationen, beengte Verhältnisse u. ä.) geschuldet sind oder, ob die Tierbesitzer sie nur vermehrt wahrgenommen haben, weil sie mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbrachten, ist unklar.
Kommt es durch drastische Veränderungen im Alltag zu ungewohnten Situationen, fordert das die Belastbarkeit der Tiere. Dieser verstärkte Stresspegel kann sich dann beispielsweise in folgenden Verhaltensänderungen der Tiere widerspiegeln:
Katzen reagieren auf veränderte Alltagsverhältnisse anders als Hunde. Bei der Befragung durch Bowen et al. gaben über die Hälfte der Tierbesitzer an, dass sich die Lebensqualität (zu 57,3 %) sowie die Tier-Mensch-Beziehung (zu 52,1 %) durch den Lockdown verbessert hat. Dennoch konnte ein verändertes oder gestörtes Verhalten auch bei Katzen beobachtet werden (z. B. vermehrtes Zurückziehen). Auch reagierten einige Katzen negativ auf den verstärkten körperlichen Kontakt zu ihren Besitzern, woraus sich schließen lässt, dass nicht jede Katze verstärkten Sozialkontakt mit dem Menschen sucht.
Kommt es während des Lockdowns zu einer Verschlimmerung des Problemverhaltens (z. B. vermehrtes Bellen) oder entwickelt das Tier neue Verhaltensauffälligkeiten, so sollte der Alltag genau unter die Lupe genommen werden. Hierbei muss darauf geachtet werden, welche Situationen zu einer Verstärkung des Fehlverhaltens führen (z. B. aggressives Verhalten auf vermehrten Körperkontakt).
Tipps, wie man verhaltensauffälligen Haustieren während des Lockdowns helfen kann:
Jedes Tier reagiert unterschiedlich auf alltagsverändernde Situationen. Aufgrund dessen gibt es viele Haustiere, die durch die Lockdown-Maßnahmen keine Veränderungen zeigen, während andere Tiere massiv unter der Situation leiden. Stößt man als Tierbesitzer an die eigenen Grenzen, sollte unbedingt der Weg zu verhaltensmedizinisch geschulten Tierärzten oder speziell dafür ausgebildeten Tiertrainern gesucht werden.
Mit der Hilfe von Experten kann das Zusammenleben zwischen Mensch und Tier auch in Zeiten von COVID-19 wieder verbessert und gestärkt werden. So können Tiere und Menschen voneinander lernen und profitieren.
Der Text basiert auf einer Pressemitteilung der Vetmeduni Vienna, die ihr hier nachlesen könnt. Die Studien von Bowen et al. sowie Ratschen et al. sind auch im Text verlinkt.
Bildquelle: Chewy, unsplash