Jüngst glückte die erste Lebendgeburt nach der Retransplantation von kryokonserviertem, präpubertärem Ovarialgewebe. Gute Nachrichten für Frauen, die in Folge einer Krebstherapie unfruchtbar wurden. Doch die Erfüllung des Kinderwunsches bleibt ein teures Vergnügen.
Belgische Forscher um Dr. Isabelle Demeestere schildern in der Juni-Ausgabe der Fachzeitschrift Human Reproduction das Schicksal einer jungen Frau, die sich im Alter von 13 Jahren einer Knochenmarktransplantation unterzogen hatte, da sie an einer schweren Sichelzellanämie litt. Infolge der für die Transplantation nötigen ablativen Chemotherapie kam es erwartungsgemäß zu einem Ausfall der Ovarialfunktion. Aus diesem Grund begann die Patientin im Alter von 15 Jahren eine Hormonersatztherapie. Zehn Jahre später äußerte die Frau jedoch den Wunsch nach einem eigenen Kind. Ohne eigene Eizellen ist das jedoch nicht möglich. Glücklicherweise hatten die Ärzte vor der Chemotherapie an diese Möglichkeit gedacht und dem Mädchen vor der Behandlung das rechte Ovar entfernt. Zerteilt in 62 Fragmente, wurde das Gewebe vorsorglich eingefroren – und das, obwohl das Mädchen zu diesem Zeitpunkt noch keine Menstruation gehabt hatte und es daher unklar war, ob sich das entnommene Gewebe nach einer Retransplantation normal weiterentwickeln würde. Nachdem die Frau die Hormonersatztherapie beendet hatte, wurde ihr bei einem laparoskopischen Eingriff ein Teil des kryokonservierten Gewebes reimplantiert. Fünf Monate später begann sie zu menstruieren und im Alter von 27 Jahren konnte sie einen gesunden Jungen zur Welt bringen.
Tatsächlich hat es auch in Deutschland bereits Lebendgeburten nach einer Transplantation von Ovarialgewebe gegeben, allerdings waren die Spenderinnen zum Zeitpunkt der Kryokonservierung bereits erwachsen. Neu ist, dass eine solche Behandlung auch mit dem Gewebe eines prämenstruellen Mädchens möglich ist. „Dies ist ein wichtiger Durchbruch in diesem Bereich, denn Kinder sind diejenigen Patienten, denen dieses Verfahren in Zukunft wahrscheinlich am meisten nützen wird“, erklärt Dr. Demeestere. „Wenn bei ihnen Erkrankungen diagnostiziert werden, die eine Therapie erforderlich machen, bei der die Ovarialfunktion zerstört wird, ist die Kryokonservierung von Ovarialgewebe die einzige Möglichkeit, um ihre Fertilität zu bewahren.“ Die Möglichkeit, bereits so früh mit fertilitätserhaltenden Maßnahmen zu beginnen, ist insbesondere für krebskranke Mädchen und Frauen überaus wichtig. Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 1.800 Kinder und ca. 230.000 Frauen neu an Krebs. Zwar sind die Überlebensraten für alle Krebsarten heute deutlich höher als früher, doch Chemo-, Strahlen- und Hormontherapie können einen verheerenden Einfluss auf die Fertilität haben. Ist die onkologische Behandlung beendet, ist die Erfüllung des Kinderwunsches für viele Patientinnen offenbar ein wesentliches Kriterium der Lebensqualität. Einer 2014 veröffentlichten Umfrage zufolge gaben 59 % der befragten Brustkrebs-Patientinnen an, zukünftig Kinder haben zu wollen. Fast jede zehnte Frau erklärte sogar, sich nicht einer Chemotherapie unterziehen zu wollen, wenn dadurch ihre Fruchtbarkeit eingeschränkt würde.
Während die Spermienkryokonservierung eine etablierte, kostengünstige und flächendeckend verfügbare Methode für Männer ist, sind fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen für Frauen deutlich schlechter zugänglich. Die Entnahme und Kryokonservierung von Ovarialgewebe gilt zwar als experimentelle Methode, sie bietet allerdings einige entscheidende Vorteile: Die Entnahme kann kurzfristig erfolgen, sodass sich der Beginn der onkologischen Therapie nicht wesentlich verzögert. Zudem kann mit dieser Technik nicht nur die Fertilität wiederhergestellt werden, sondern auch die Gonadenfunktion. Allerdings scheint dieser Effekt lediglich transient zu sein, und Langzeiterfahrungen liegen noch nicht vor. Außerdem handelt es sich bei dieser Maßnahme um eine kostenintensive Technik, die zwei Operationen (Entnahme des Ovarialgewebes und Retransplantation) erfordert. Weiterhin muss sichergestellt werden, dass das Gewebe keine malignen Zellen enthält; dies scheint insbesondere bei hämatologischen Erkrankungen ein Problem zu sein. Eine weitere experimentelle Methode ist die Behandlung mit GnRH-Agonisten (GnRHa), welche nach einer initialen Gonadotropin-Ausschüttung (Flare-Up) zu einem Herunterregulieren der hypophysären GnRH-Rezeptoren führen. In der Folge kommt es zum Hypogonadismus – die ruhenden Ovarien sind weniger anfällig für gonadotoxische Agenzien. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass sie ebenfalls zeitnah (d. h. spätestens eine Woche) vor einer onkologischen Behandlung durchgeführt werden kann. Außerdem ist keine invasive Prozedur erforderlich und die nötigen Präparate sind leicht zugänglich. Die Wirksamkeit einer GnRHa-Behandlung ist allerdings noch nicht abschließend geklärt. Zudem bestehen Bedenken, dass bei Frauen mit Hormonrezeptor-positiven Erkrankungen die Behandlung mit GnRH-Agonisten die Wirksamkeit einer Chemotherapie herabsetzen könnte.
Das Einfrieren unbefruchteter oder befruchteter Eizellen gehört zum Standard-Repertoire an Methoden, um die Fertilität zu erhalten. Allerdings erfordern beide Techniken einen Aufschub der onkologischen Therapie um zwei Wochen oder mehr, da eine kontrollierte ovarielle Stimulation mit anschließender transvaginaler Oozytenentnahme durchgeführt werden muss. Die gewonnen Eizellen werden dann für gewöhnlich mittels intrazytoplasmatischer Spermieninjektion befruchtet und im Pronukleusstadium eingefroren. Steht jedoch kein Partner zur Verfügung, käme für die Kryokonservierung nur eine heterologe In-Vitro-Fertilisation mit Fremdsperma in Frage. Da diese Option für viele Frauen nicht akzeptabel ist und in Deutschland bei Ledigen verboten ist, hat sich das Einfrieren unbefruchteter Eizellen als Therapieoption etabliert. Falls es sich bei der onkologischen Behandlung um eine Bestrahlung des Beckens handelt, gibt es die Möglichkeit einer ovariellen Transposition. Üblich ist die laparoskopische Transposition eines oder beider Ovarien über dem Beckeneingang in Richtung Diaphragma, wo die Ovarien fixiert und mit einem Titanclip markiert werden. Nach der Bestrahlung lassen sich die Ovarien wieder in das Becken zurückverlagern. Zudem können bei einem Tumorbefall des weiblichen Reproduktionssystems organerhaltende chirurgische Techniken sinnvoll sein – allerdings nur nach einer sorgfältigen Nutzen/Risiko-Abwägung und einer sorgfältigen Aufklärung der Patientin.
Bei der Beratung junger Patientinnen ist es besonders wichtig, das Thema Kinderwunsch aktiv anzusprechen und individuell darauf einzugehen, wie groß das Risiko dafür ist, dass die onkologische Behandlung tatsächlich die Fruchtbarkeit mindert. Die Chancen und Risiken fertilitätserhaltender Maßnahmen sollten dabei offen dargelegt werden. Bei der Entscheidungsfindung dürfte für viele Patientinnen allerdings nicht nur die Frage der zukünftigen Familienplanung eine Rolle spielen, sondern auch der Preis. Die Kryokonservierung unbefruchteter oder befruchteter Oozyten kann leicht 4.000 Euro kosten, die in der Regel nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Dass der Kinderwunsch damit zum Privatvergnügen degradiert wird, trägt sicher nicht dazu bei, die psychische Belastung von Krebspatientinnen zu mindern.