Ein Carotis-Ultraschallscreening kann sinnvoll sein – im richtigen Moment und in Kombination mit weiteren Diagnosetools. Experten der DEGUM diskutierten darüber jetzt auf einer Pressekonferenz.
Ist ein Carotis-Ultraschallscreening im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen sinnvoll? Und müssen asymptomatische Carotisstenosen bei Menschen höheren Alters zwingend operiert werden? Darüber diskutierten Experten der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) auf einer Online-Pressekonferenz.
Der Schlaganfall gehört nach wie vor zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Je älter die Patienten sind, desto höher das Risiko. „Die Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader ist eine breit verfügbare Technik, um das individuelle Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, insbesondere für Schlaganfälle, abzuschätzen“, erklärt Prof. Felix Schlachetzki, Chefarzt Zentrum für Vaskuläre Neurologie und Intensivmedizin, Regensburg.
Im Ultraschall kann ein Arzt feststellen, ob die Carotis eine erhöhte Intima-Media-Dicke oder Plaques aufweist. „Ist dies der Fall, sollten Patienten dazu ermutigt werden, sich mehr zu bewegen, Übergewicht zu reduzieren sowie gegebenenfalls ihre Ernährung umzustellen und das Rauchen aufzugeben“, so der Experte. Außerdem müssen bestehende Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und Cholesterin konsequent behandelt werden, um das Risiko für einen Gefäßverschluss einzudämmen. Diese präventiven Therapien seien bei Risikopatienten mit erblicher Vorbelastung unbedingt empfehlenswert. Im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung sei das Carotis-Ultraschallscreening daher durchaus sinnvoll.
Entstehen durch Plaques erst einmal manifeste Stenosen, können diese aufbrechen, als Gerinnsel ins Gehirn verschleppt werden und so einen Schlaganfall auslösen. Welche Therapie nach einer entsprechenden Diagnose erfolgen soll, muss interdisziplinär bewertet werden. Das Carotis-Screening darf hier nicht alleinige Entscheidungsgrundlage sein. „Bei allen Patienten mit Stenosen der Halsschlagadern ist eine detaillierte Nutzen-Risiko-Abwägung zwischen den Möglichkeiten der modernen Pharmakotherapie und den operativen Möglichkeiten inklusive Stenting nötig, und da ist auch das reelle Patientenalter ein wichtiges Kriterium“, mahnt der Neurologe.
So sind Carotisstenosen, die keine Symptome verursachen, zwar ein Maßstab für Erkrankungen des gesamten arteriellen Systems. „Sie sind aber gleichzeitig nur ein Teil des komplexen arteriellen Hirnversorgungssystems, welches durchaus in der Lage ist, sich anzupassen“, erklärt Schlachetzki. Das führe dazu, dass der Anteil der Arteriosklerose-bedingten Schlaganfälle ab der siebten Lebensdekade wieder sinke. Eine Carotisstenose müsse in diesem Alter deshalb immer in der Zusammenschau des gesamten Gefäßsystemzustandes betrachtet werden. Zudem seien die möglichen Komplikationsraten einer Carotis-Operation beziehungsweise eines Carotis-Stents gegenüber den Möglichkeiten des Best Medical Treatment, von dem auch die Herzinfarkte und arterielle Verschlusskrankheit der Beine profitieren, abzuwägen.
Insgesamt ist aus neurologischer Sicht ein Ultraschallscreening der Halsschlagadern wichtig, um frühe Gefäßwandveränderungen zwischen dem 30. und 70. Lebensjahr an den Carotiden zu erkennen. „Damit können wir das sogenannte Gefäßalter eines Menschen definieren und gegebenenfalls notwendige Lebensveränderungen initiieren“, fasst Schlachetzki zusammen. Hier hilft ein breites Screening bei versierten Ultraschallern.
Werden hämodynamisch relevante Stenosen erkannt, sollte jedoch Aktionismus vermieden und die Patienten zu neurovaskulären Experten überwiesen werden. Dazu gehören insbesondere Neurologen oder Angiologen, die auch intrakranielle Gefäße beurteilen können. Eine Operation oder Stent-Therapie ohne vorherige Begutachtung durch diese Spezialisten sei strikt abzulehnen und für den Patienten gefährlich.
Zur vollständigen Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin kommt ihr hier.
Bildquelle: MohammadHosein Mohebbi, Unsplash