Die Frage, ob Fluorid gesund oder sogar schädlich ist, hören Zahnärzte nicht selten. Vor allem seit sich Zahncremes ohne Fluorid als Nischenprodukt etabliert haben. Diese enthalten stattdessen Hydroxylapatit, das angeblich genau so gut vor Karies schützt. Gibt es dafür Beweise?
Fluoride in Zahnpasta sind gefährlich, hieß es Anfang 2018 in einer Anzeige, die in einer renommierten deutschen Tageszeitung erschienen war. In der angeführten Werbung wird außerdem behauptet, Fluoride stünden im Verdacht, sich als Giftstoffe im Körper abzulagern. Eine Studie aus Mexiko wird als Beweis angeführt und soll darüber hinaus zeigen, dass Kinder von Schwangeren mit hoher Fluoridaufnahme einen niedrigeren IQ haben. Im Anschluss wird der Konsument aufgefordert, fluoridhaltige Zahnpasta zu vermeiden und lieber auf das fluoridfreie Produkt umzusteigen: Es enthält Hydroxylapatit, den Baustoff, aus dem die Zähne hauptsächlich bestehen. Die angepriesene Zahnpasta wirke genauso gut für den Zahnerhalt wie fluoridhaltige Pasten. Wieder wird eine Studie, diesmal aus Deutschland und noch unveröffentlicht, beweisführend genannt. Kritik ohne wissenschaftliche Grundlage Prompt reagierten sowohl Die Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ), die Deutsche Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) auf die Werbung für das neue Zahnpflegeprodukt. Vertreter aller drei Organisationen waren sich dabei in einem Punkt einig: Die Wirkung des Produktes sei wissenschaftlich nicht belegt, ganz im Gegensatz zum Einsatz von Fluoriden in Zahnpasten. Einem solchen Angst-Marketing müsse entschieden mittels seriöser und wissenschaftlich begründeter Fakten entgegengetreten werden. Die zitierte Studie aus Mexiko wurde an Schwangeren durchgeführt, welche Fluorid über das Trinkwasser oder Salz systemisch aufnahmen. Die Ergebnisse der Studie, obgleich in der Argumentation gegen Fluorid in der Zahnpasta angeführt, geben dazu erst einmal überhaupt keine Auskunft. Darüber hinaus wird Zahnpasta nicht konsumiert, sondern wieder ausgespuckt, weshalb das Fluorid in seiner Wirkung lediglich auf die Zähne reduziert bleibt und eben nicht systemisch wirken kann. Fluoridgegner: Eine vielversprechende Zielgruppe Dem gegenüber steht der Fakt, dass die Wirkung von Fluoriden in der Zahnpasta zum Zwecke des Zahnerhalts in zahlreichen Studien wissenschaftlich sehr gut belegt ist. Zuletzt bestätigte eine im Jahr 2010 veröffentlichte Meta-Analyse der Cochrane Collaboration, welche 71 qualitativ hochwertige klinische Studien einschloss, sowohl die Sicherheit als auch den Nutzen von Fluoridanwendungen. Ferner erschien im Jahre 2016 eine „S2k-Leitlinie zur Kariesprophylaxe bei bleibenden Zähnen“, die ebenfalls empfiehlt, mindestens zweimal pro Tag fluoridhaltige Zahnpasta zur Kariesprophylaxe anzuwenden. Es gibt auch nicht weder gab es zu irgendeinem Zeitpunkt Bestrebungen von Verbraucherschutz-Organisationen, ein Verbot von Fluoriden in Zahnpflegeprodukten zu erwirken, wie die Werbeanzeige behauptet. Die wissenschaftliche Basis für ein solches Bestreben fehlt schließlich völlig. Hier scheint es, dass bewusst Ängste, Unsicherheit und Skepsis gesäht wurden, um ein neues Produkt am Markt zu etablieren und die dafür nötige Nische überhaupt erst zu erschaffen. Denn auf der anderen Seite müsste sich die Firma sonst wohl der Frage stellen, wo der wissenschaftliche Beweis dafür liegt, dass eine Hydroxylapatit-basierte Zahncreme die bisherige Zahnpflege nicht zum Nachteil der Patienten ersetzen könnte. Dieser öffentlich geführte Beweis jedoch steht derzeit noch aus.