Alles dreht sich im Moment um Corona, aber es gibt noch andere Gründe, um aus der Bahn geworfen zu werden. Zum Beispiel dann, wenn das Glück einer Schwangerschaft mit einer Krebsdiagnose zusammenfällt. Diese Therapiemöglichkeiten gibt es.
Während ein neues Leben entsteht, hängt das andere am seidenen Faden: So geht es Frauen, bei denen in der Schwangerschaft eine Krebsdiagnose gestellt wird. Die gute Nachricht: Krebserkrankungen während und direkt nach einer Schwangerschaft sind selten. Und es gibt effektive Therapieoptionen.
Die schlechte Nachricht: Diagnosen werden verspätet gestellt, weil man bei einer jungen, schwangeren Frau seltener mit einem Malignom rechnet. Nicht jede Diagnostik oder Therapie ist möglich. Die Abwägung zwischen mütterlichen und kindlichen Interessen ist eine Gratwanderung.
Der häufigsten Krebserkrankungen während Schwangerschaft und Laktation sind:
Der Trend zur Familienplanung in höherem Lebensalter korreliert mit einem Anstieg bösartiger Erkrankungen in der Schwangerschaft.
Ein Malignes Melanom, eine Leukämie oder ein Lymphom können in die Plazenta und den Feten metastasieren, beim Mammakarzinom sind ebenfalls Metastasierungen in die Plazenta bekannt.
Krebserkrankungen in der Schwangerschaft bedürfen einer interdisziplinären Vorgehensweise. Je nach Tumorart sind onkologische und pränatale Zentren, betreuende Gynäkologen und Hausärzte, Hebammen und psychosoziale Anlaufstellen idealerweise mit im Team.
Schwangere Patientinnen, bei denen ein Mammakarzinom oder ein genitales Malignom diagnostiziert wird, stellen besonders Frauenärzte vor eine große Herausforderung.
Mammakarzinome, die in einer Schwangerschaft, während der Stillzeit oder im ersten postpartalen Jahr diagnostiziert werden, bezeichnet man als schwangerschaftsassoziierten Brustkrebs. Etwa 2 % der neu aufgetretenen Mammakarzinome sind schwangerschaftsassoziiert, ihre Inzidenz steigt mit zunehmendem maternalem Alter und die Mehrheit tritt im ersten Jahr nach der Geburt auf.
Physiologische Veränderungen der Brust in Schwangerschaft und Stillzeit verschleiern nicht selten neuaufgetretene Tastbefunde, letztere sollten immer abgeklärt werden. Als sichere Diagnostik zählen Ultraschall, Mammographie mit Bauchabschirmung und ultraschallgesteuerte Stanzbiopsie. Bei unklaren Fällen kann ein MRT ohne Kontrastmittel für Klarheit sorgen. In fortgeschrittenen Stadien ist ein Staging mittels Röntgen-Thorax mit Bauchabschirmung, Abdomen-Sonographie und nativer MRT-Untersuchung möglich.
Skelettszintigraphie und CT-Untersuchungen werden aufgrund potenzieller teratogener Effekte auf die postpartale Phase verschoben.Nach der Entbindung sollte die Plazenta histologisch auf Metastasen untersucht werden.
Eine operative Therapie ist während der gesamten Schwangerschaft möglich. Brusterhaltende Vorgehensweisen sind im späten zweiten und dritten Trimenon sinnvoll, da dann die obligate, möglichst zeitnahe Strahlentherapie postpartal angeschlossen werden kann. Wegen teratogener Effekte ist eine Strahlentherapie in der Schwangerschaft kontraindiziert. Im ersten und im frühen zweiten Trimenon wäre die Mastektomie mit postpartalem Wiederaufbau eine Alternative. Jenseits des ersten Trimenons ist die Sentinel-Node-Biopsie mit Technetium möglich.
Die Indikation zur Chemotherapie orientiert sich an den gleichen Kriterien wie bei einer nicht schwangeren Patientin. Ab dem zweiten Trimenon sind Standardregime mit Anthracyclinen, Cyclophosphamiden und Taxanen möglich. Bei triple-negativem Mammakarzinom können platinhaltige Substanzen erwogen werden. Im ersten Trimenon beläuft sich in Studien die Fehlbildungsrate unter einer Chemotherapie auf bis zu 20 %, auch die Rate an Fehlgeburten ist erhöht. Aus diesem Grund ist eine Chemotherapie im ersten Trimenon kontraindiziert.
Im zweiten und dritten Trimenon geht man von einem bis zu 40 % höheren Risiko für eine fetale Wachstumsretardierung aus, auch sind Präeklampsien unter Zytostatikagabe häufiger. Kindliche Spätfolgen, wie eine Karzinogenese, sind bisher nicht einheitlich nachgewiesen. Um eine neonatale Myelosuppression zu vermeiden, wird die Chemotherapie drei Wochen vor der Entbindung beendet. Stillen unter Chemotherapie ist kontraindiziert.
Ebenso kontraindiziert während Schwangerschaft und Stillzeit sind endokrine und HER2-zielgerichtete Therapien.
Die Prognose hängt wesentlich von einer frühzeitigen Diagnostik und einer zeitnahen Therapieeinleitung ab. Sie ist vergleichbar mit der von nichtschwangeren, gleichaltrigen Frauen. Als prognostisch ungünstiger wird eine Brustkrebserkrankung während der Stillzeit gesehen. Keinen negativen onkologischen Einfluss stellen Folgeschwangerschaften dar. Auch die Entwicklung und Prognose der Kinder scheint nach derzeitigem Wissen nicht signifikant beeinträchtigt zu sein.
Das Zervixkarzinom ist die häufigste Krebserkrankung in der Schwangerschaft. Etwa 3 % aller neu diagnostizierten Fälle betreffen Schwangere, meist zwischen 40 und 44 Jahren. Präinvasive Vorstufen finden sich 12-mal häufiger bei im Mittel 34-jährigen Schwangeren und bilden sich bis zu 86 % spontan zurück.
So zeigt der zytologische Abstrich in der Schwangerschaft in 2–5 % auffällige Befunde, aber aufgrund der häufigeren Untersuchungen oft in frühen Erkrankungsstadien. Durch möglichst flächendeckend durchgeführte HPV-Impfungen wird die Inzidenz von Zervixkarzinomen in Zukunft rückläufig sein, auch in der Schwangerschaft.
Zytologische und kolposkopische Diagnostik, HPV-Bestimmung und gezielte Probeexzisionen unterscheiden sich nicht in der Schwangerschaft. Konisationen sind dagegen im ersten und frühen zweite Trimenon ideal, da danach das Risiko eingriffsbedingter Aborte und der Frühgeburtlichkeit zunimmt. Eine simultan vorgenommene Cerclage kann eine Option sein.
Der Transvaginalultraschall, eventuell auch ein natives MRT, helfen, invasive Verläufe einzuordnen. Beim Staging im fortgeschrittenerem Stadium sind gezielte Röntgenuntersuchungen unter Abschirmungsmaßnahmen, jedoch keine Knochenszintigraphie, möglich.
Bei einem invasiven Zervixkarzinom ist die Therapie analog zum Vorgehen außerhalb der Schwangerschaft anzustreben, wobei Tumorstadium und Gestationsalter ausschlaggebend und limitierend sind.
Es gibt folgende Therapieoptionen:
Es handelt sich hierbei um eine äußerst komplexe Entscheidungssituation, die das Abwägen zwischen einer adäquaten onkologischen Therapie bei der Mutter, der kindlichen Reifesituation oder auch den Verlust der Schwangerschaft beinhaltet.
Bei invasivem Zervixkarzinom ist aus mütterlicher Indikation von einer Spontangeburt abzuraten, da bei Geburtsverletzungen metastatische Tumorzellimplantate im Wundgebiet möglich sind.
Eine Ovarialkarzinomerkrankung in der Schwangerschaft ist ein seltenes Ereignis. Sonographisch suspekte Ovarialtumoren werden auch in der Schwangerschaft operativ abgeklärt. Dabei kann sowohl die einseitige Adnexektomie, als auch ein Tumordebulking nötig sein. Ab dem zweiten Trimenon ist eine Chemotherapie möglich. Postpartal erfolgt die chirurgische Komplettierung mit Hysterektomie und Lymphadenektomie.
Kritisch sind besonders ausgedehnte Befunde im Frühstadium der Schwangerschaft, die ein Abwägen der mütterlichen und kindlichen Prognosen fordern. Tritt ein Ovarialkarzinom in frühem Lebensalter auf, sollte eine mögliche BRCA-1- oder BRCA-2-Mutation genetisch abgeklärt werden.
Hierbei handelt es sich um seltene Einzelfälle. Niedrig maligne Veränderungen des Endometriums sind häufig Zufallsbefunde bei einer postpartalen Abrasio und werden stadiengerecht therapiert. Höhergradige Veränderungen würden eine Implantation im Vorfeld verhindern. Vulva- und Vaginalkarzinome sind auch während der Schwangerschaft operativ therapierbar. Platinhaltige Chemotherapeutika sind möglich, eine Strahlentherapie erst postpartal.
Das Chorionkarzinom ist die bösartigste Variante einer gestationsbedingten Trophoblasterkrankung. Es entwickelt sich meist in Zusammenhang mit einer gestörten Frühschwangerschaft, besonders nach einer Blasenmole, selten nach einer ausgetragenen Schwangerschaft. Therapieoptionen sind operativer und chemotherapeutischer Art. Gestationsbedingte Throphoblastenerkrankungen haben eine Prävalenz von 1:714 Lebendgeburten.
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