Ein neues zoologisches Bornavirus aus der Säugetierlinie wurde in Sachsen-Anhalt in drei Fällen von Bunthörnchen auf den Menschen übertragen. Die Metagenomanalyse eines Bunthörnchens sowie die Analyse von Gehirnproben der Patienten identifizierten das Virus.
Drei Männer wurden in den Jahren 2011 bis 2013 mit den Symptomen einer Gehirnentzündung in Kliniken in Sachsen-Anhalt behandelt. Erste Analysen der Gehirnflüssigkeit sowie bildgebende Untersuchungen erbrachten Anzeichen einer Gehirnentzündung – nur die Suche nach dem Erreger blieb erfolglos. Die Patienten verstarben innerhalb weniger Monate trotz intensivmedizinischer Behandlung.
Erst die Metagenomanalyse eines Bunthörnchens (Sciurus variegatoides) aus der Zucht eines der Patienten erbrachte Hinweise auf die Todesursache. Ein bislang unbekannter Vertreter der Bornaviren konnte so zunächst bei den Bunthörnchen und in nachfolgenden Analysen auch in den Gehirnproben der drei Patienten identifiziert werden. Dr. Bernd Hoffmann vom Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) erklärt: „Die Metagenomanalyse, bei der das gesamte Erbgut mitsamt aller Mikroorganismen analysiert wird, identifizierte einige wenige Sequenzfragmente eines bisher unbekannten Bornavirus, dessen Existenz durch weitere molekularbiologische, histologische und serologische Untersuchungen bestätigt wurde“.
Dr. Dennis Tappe vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) bemerkt: „Das neue Virus unterscheidet sich genetisch deutlich von den bisher bekannten Bornaviren. Mit den Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Vertreter aus der Familie der Bornaviren auch Menschen infizieren können“. Durch moderne Tiefensequenzierung gelang den Wissenschaftlern auch die Einordnung in die Systematik bisher bekannter Bornaviren. Demnach entwickelte sich der neue Vertreter höchstwahrscheinlich aus der Säugetierlinie der Bornaviren und bildet den nächsten Verwandten zum Bornavirus der Pferde.
Bornavirus-Infektionen der Tiere sind schon seit mehr als 100 Jahren bekannt und kommen üblicherweise bei Einhufern vor, wo sie als Borna-Krankheit bezeichnet werden. Die Viren befallen insbesondere das zentrale Nervensystem und lösen eine Gehirnentzündung aus, die Todesrate ist hoch und liegt bei ungefähr 90% der infizierten Tiere. Neben Pferden können Bornaviren auch bei einer Reihe anderer Tiere auftreten. Erst 2008 konnte eine Nervenerkrankung mit tödlichem Ausgang bei Papageien und Sperlingsvögeln auf ein neues vogeltypisches Bornavirus zurückgeführt werden.
Noch ist nicht klar, ob die verschiedenen Vorerkrankungen der bereits älteren Patienten eine Infektion mit dem Virus begünstigten. Die Institute konzentrieren sich nun auf die Entwicklung und Validierung von Testverfahren zum Virusnachweis in lebenden Tieren und erkrankten Menschen. Originalpublikation: A Variegated Squirrel Bornavirus Associated with Fatal Human Encephalitis Bernd Hoffmann et al.; The New England Journal of Medicine, doi: 10.1056/NEJMoa1415627; 2015