In einem FDA-Dokument gibt es neue Details zum Biontech-Impfstoff und seinen Nebenwirkungen. Dazu zählten auch seltene Fälle von Gesichtslähmung und Lymphknotenschwellungen.
Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA entscheidet heute, ob sie dem RNA-Impfstoff BNT162b2 von Biontech/Pfizer eine Notfallzulassung erteilen wird. Die FDA hatte gestern bereits vorab ein umfangreiches Dokument veröffentlicht, in dem sie das Ergebnis ihrer abschließenden Überprüfung der Studiendaten vorstellt. Das 53 Seiten starke Dokument könnt ihr euch hier anschauen. Wir werfen für euch einen Blick auf die Details.
Die Behörde stellt dem Impfstoff in ihrem Bericht insgesamt ein sehr gutes Zeugnis aus. An der Phase-III-Studie zum Impfstoff namens BNT162b hatten insgesamt 44.000 Probanden teilgenommen. Der Impfstoff wird in zwei Dosen mit einem Abstand von drei Wochen verabreicht.
Bereits aus einer Interimsanalyse der Daten von rund 36.000 Probanden war die hohe Schutzwirkung von 95 % bekannt, die sich wie folgt berechnet: Während 162 von 18.325 Personen in der Placebogruppe an COVID-19 erkrankten, waren es nur 8 von 18.198 Personen in der Verumgruppe.
Auch in den Subgruppen zu denen etwa über 65-Jährige, Personen mit Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck, COPD oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählen, zeigte sich eine hohe Schutzwirkung. Sie lag jeweils bei über 93 %. Nur bei Krebserkrankungen war die Schutzwirkung wegen der geringen Teilnehmerzahl nicht signifikant.
Neu ist, dass bereits eine klare Effektivität der Impfung nach der ersten Dosis vorhanden ist. Laut FDA liegt die Schutzwirkung immerhin bei 52,4 %.
Die aktualisierte Auswertung der Phase-III-Studie enthält jetzt auch Daten zu einer zweimonatigen Nachbeobachtung von knapp 38.000 Probanden. Hier zeigt sich ein ähnliches Sicherheitsprofil wie schon nach der ersten Zwischenanalyse mit nur einwöchiger Nachbeobachtung.
In den jüngeren Altersgruppen (18 bis 55 Jahre) traten die systemischen Nebenwirkungen häufiger und schwerer auf im Vergleich zu den älteren Gruppen (ab 55 Jahre). In beiden Altersgruppen waren die Nebenwirkungen häufiger nach der zweiten Impfdosis beobachtet worden.
Das waren die häufigsten Nebenwirkungen bei den Probanden der Altersgruppe 18 bis 55 Jahre nach der zweiten Impfung:
Allergische Reaktionen unmittelbar nach der Impfung waren in beiden Gruppen, aber etwas häufiger in der Verumgruppe beobachtet worden (137 [0,63%] vs. 111 [0,51%] in der Kontrollgruppe). Die britische Gesundheitsbehörde NHS hat nun Menschen mit einer signifikanten Allergiegeschichte aufgerufen, sich vorerst nicht impfen zu lassen. Am Dienstag startete dort die flächendeckende Impfungen gegen SARS-CoV-2 mit Biontechs Impfstoff. Zwei Mitarbeiter der Behörde mit einer entsprechenden Vorgeschichte hätten eine allergische Reaktion gezeigt, nachdem sie die Impfung erhalten hatten. Sie erholten sich problemlos.
Bei vier Personen in der Verumgruppe wurde eine idiopathische Fazialisparese nachgewiesen. Im Placebo-Arm ist kein Fall bekannt. Für die FDA ist das zwar kein Grund zur Sorge, sie empfiehlt aber dahingehend eine weitere Überwachung in größeren Populationen. Im Bericht schreiben sie, dass die beobachtete Häufigkeit in der Impfstoffgruppe mit der erwarteten Hintergrundrate in der Allgemeinbevölkerung übereinstimme.
Auch Prof. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin der München Klinik Schwabing, schätzt das Ergebnis so ein: „Angesichts der Häufigkeit dieser Hirnnervenerkrankung – Grundinzidenz von 25 pro 100.000 pro Jahr – bleibt ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung fraglich.“
Weiterhin wurden drei Eriegnisse beschrieben, die – so die FDA – ursächlich mit der Impfung zusammenhängen könnten:
„Angesichts von circa 19.000 geimpften Probanden im Verum-Arm [ist das] jedoch eine sehr überschaubare Nebenwirkungsrate, die bei Impfungen mit anderen Wirkstoffen in ähnlicher Weise zu beobachten war“, kommentiert Wendtner diese Details.
Insgesamt starben 6 Teilnehmer der Studie (4 im Placebo-Arm, 2 im Verum-Arm). Ein Proband aus der Verumgruppe starb 65 Tage nach der zweiten Impfung an einem Herzstillstand, der andere starb drei Tage nach der ersten Impfung an Arteriosklerose.
Aufgrund dieser niedrigen Zahl und ähnlich häufiger Ereignisse in der Normalbevölkerung kann man nicht von einem ursächlichen Zusammenhang ausgehen.
Insgesamt kommt die FDA zu einem positiven Urteil hinsichtlich des Nutzen-/Risikoprofils von BNT162b.
„Es ist zu erwarten, dass sich die EMA weitgehend diesem Urteil anschließen wird, sowohl aufgrund der positiven Faktenbasis der Studie als auch aufgrund des hohen politischen Interesses einer baldmöglichst verfügbaren Corona-Impfung auch in Europa“, erklärt Wendtner. Dennoch blieben folgende Fragen nach wie vor offen:
Wendtner resümiert: „Trotz dieser noch offenen Fragen ist der Mehrwert der Impfung sowohl für das geimpfte Individuum als auch durch den graduellen Aufbau einer Herdenimmunität in der Bevölkerung unstrittig.“
Bildquelle: Mike Palmowski, unsplash