Die Anreicherung von Schwermetallen in Mündungsgebieten von Flüssen macht Wildvögeln zu schaffen. Zu diesem Ergebnis kam jetzt eine Studie der Universität Ulm zu Auswirkungen der Bioakkumulation von Schadstoffen.
Jedes Jahr sterben Millionen von Wildtieren – meist Vögel – an einer Bleivergiftung durch Schrotkugeln und andere bleihaltige Munition; nicht, weil sie damit beschossen wurden, sondern weil sie den Bleischrot als vermeintliche Nahrung aufnehmen. Doch auch durch die industrielle und landwirtschaftliche Einschwemmung von Schwermetallen wie Blei und Quecksilber oder von Spurenelementen kommen massenhaft wildlebende Tiere zu Schaden.
Dabei stellt die Anreicherung von toxischen Substanzen über die Nahrungskette (Bioakkumulation) ein besonderes Risiko dar. Wissenschaftler der Universität Ulm haben nun in einer Studie zu diesem Phänomen analysiert, welche Auswirkung die biologische Anreicherung von Schwermetallen und problematischen Spurenelementen auf die Darmflora und Gesundheit von Rosaflamingos hat.
Schon lange ist bekannt, wie toxisch Substanzen wie Blei und Quecksilber für Mensch und Tier sind. Die Folgen sind mitunter tödlich. „Mit unserer Studie wollten wir nun herausfinden, wie sich solche schädlichen Substanzen auf die Gesundheit natürlicher Populationen auswirken, und zwar bei den nicht-tödlichen Fällen“, sagt Prof. Simone Sommer, Leiterin des Instituts für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik an der Universität Ulm.
Die Wissenschaftler haben dafür das Gefieder von jungen Rosaflamingos auf zehn verschiedene Spurenelemente und Schwermetalle hin analysiert, und zwar auf Kadmium, Chrom, Kupfer, Quecksilber, Blei, Nickel, Selen, Zinn und Zink. Außerdem wurde untersucht, ob erhöhte Werte dieser Schadstoffe in Zusammenhang mit der körperlichen Verfassung und der Zusammensetzung des Darmmikrobioms stehen. „Die mikrobielle Zusammensetzung der Darmflora ist nicht nur entscheidend für die Nährstoffaufnahme und den Stoffwechsel, sondern hat auch einen großen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Immunsystems“, erklärt Dr. Mark Gillingham, Erstautor der Studie.
Untersucht wurden Rosaflamingo-Populationen in Andalusien und Südfrankreich. Dazu gehörten Feuchtgebiete mit extrem hoher Schadstoffbelastung wie die Odiel-Sümpfe in unmittelbarer Nähe des andalusischen Nationalparks Coto de Doñana sowie weniger belastete Gebiete wie die Lagunen von Fuente de Piedra in der Nähe von Malaga und des westlichen Rhône-Deltas im südfranzösischen Aigues-Mortes. Schadstoffeinträge aus den Flüssen lagern sich im Mündungsgebiet der Flüsse in den Sedimenten ab. Über die Nahrungskette nehmen die Flamingos die Schadstoffe in erhöhten Konzentrationen auf.
Der langbeinige Wasservogel filtert mit seinem Seihschnabel Plankton aus dem Wasser. Zu seinen Beutetieren gehören aber auch kleine Fische, Krebse, Ringelwürmer und Muscheln. Und auch den schlammigen Untergrund, durch den er watet, verschmäht er als Nahrung nicht. Denn dieser enthält große Mengen an Mikroalgen, die reich an organischen Inhaltsstoffen sind. „Je weiter oben eine Tierart in der Nahrungskette steht, desto mehr Schadstoffe nimmt sie über die Nahrung auf“, sagt Gillingham.
Das internationale Forschungsteam fand in der Flamingo-Studie heraus, dass die körperliche Verfassung von Jungtieren mit erhöhten Werten an Blei, Quecksilber und Selen vergleichsweise schlechter war. Das heißt, für ihre Größe brachten die Flamingo-Küken ein geringeres Gewicht auf die Waage. Erstmals konnten die Biologen dabei zeigen, dass solche erhöhten Schadstoffwerte mit Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmflora einhergingen. Daraus resultierte wiederum ein schlechterer Gesundheitszustand der Tiere.
Besonders stark waren diese mikrobischen Effekte bei erhöhten Selenwerten. „Das Gleichgewicht des Darmmikrobioms war nachweislich gestört“, so die Forscher. Auffällig war dabei, dass die Vielfalt der Bakterien drastisch abgenommen hatte, gleichzeitig aber bestimmte Darmbakterien besonders häufig anzutreffen waren. Dazu gehörten die Mikroben Bacteroides plebeius, die eine entscheidende Rolle bei der Verdauung und Verstoffwechselung spezieller Mikroalgen spielen, die wiederum zu den Hauptnahrungsmitteln der Flamingos gehören.
Die Folge: Je mehr dieser Algen von den Flamingos verzehrt wurden, desto größer war der gesundheitliche Schaden, weil diese Mikroalgen insbesondere Selen, das in hohen Dosen schädlich ist, sehr effizient metabolisieren. Außerdem fanden die Forscher heraus, dass der körperliche Zustand des Flamingo-Nachwuchses bei genau den Exemplaren vergleichsweise schlecht war, die überdurchschnittlich viel dieser besonderen Darmbakterien aufwiesen.
Auch wenn die Menge der eingeschwemmten und abgelagerten Schadstoffe an sich für diese am Wasser lebenden Vögel nicht direkt tödlich ist, so kommt es doch durch die Bioakkumulation zu einer Anreicherung toxischer Substanzen, die für die Gesundheit der Population hochproblematisch ist.
„Feuchtgebiete sind ökologisch wertvolle und auch für den Menschen wichtige Wasserreservoirs. Werden diese verschmutzt, leidet darunter aber nicht nur die Gesundheit von Wildtieren, sondern schlussendlich auch der Mensch“, sind die Ulmer Wissenschaftler überzeugt.
Zur Studie der Forscher aus Ulm kommt ihr hier.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Ulm.
Bildquelle: Elizabeth Gottwald, Unsplash