Die Katze guckt leidend, dann erbricht sie mehrmals. Was jetzt? Tierbesitzer und Veterinärmediziner haben nun zwei Möglichkeiten.
Ob es die Zoom-Konferenz im Homeoffice ist, das Video-Telefonat mit der Familie oder das Essen, das man online bestellt, nahezu alles läuft momentan digital. Und wenn dann die Katze erbricht oder der Hund nichts frisst? Entweder man geht zum Tierarzt – oder man macht auch das digital.
Die Telemedizin ist bei Ärzten und Tierärzten (noch) nicht sonderlich beliebt. Viele versperren sich ihr gar voll und ganz, nach dem Motto „das setzt sich doch eh nicht durch“. Was in Skandinavien, Großbritannien oder den USA schon fast zum normalen Repertoire einer Tierarztpraxis dazugehört, ist in Deutschland noch nicht sehr präsent.
Doch dieses Jahr änderte sich das: Digitale medizinische Angebote wurden aufgrund der Kontaktbeschränkungen auch hierzulande häufiger genutzt. Auch in der Tiermedizin: Sie heißen Doktor Fressnapf, Dr. Sam, Pfotendoctor oder FirstVet und werben mit Betreuung „rund um die Uhr“ und versprechen Behandlungen „ohne Wartezimmerstress“.
Eine Konsultation kostet, je nach Anbieter und Service, zwischen zehn und fünfzig Euro. „Flatrates“ gibt es schon ab 30 Euro im Quartal.
Die Tiermedizin hat jedoch im Vergleich zu ihrem menschlichen Pendant einen Aspekt, der das ganze Unterfangen etwas erschwert: Die tatsächlichen Patienten können nicht sprechen und demnach nicht artikulieren, was ihnen fehlt. Ist das ganze dann überhaupt praktikabel?
Ja – sagt Tierärztin Dr. Anna-Katharina Marten, Gründerin des Anbieters Pfotendoctor gegenüber den DocCheck News. „Die Video-Funktion ist für uns sehr wichtig und wird auch viel genutzt. So können wir den Besitzer anleiten, beispielsweise die Lefze des Tieres anzuheben, damit der beratende Tierarzt die Schleimhäute des Patienten beurteilen kann“, erklärt sie.
Marten ist seit Anfang letzten Jahres Inhaberin und Gründerin der Plattform Pfotendoctor, zusammen mit Roman Safronov, einem Betriebswirtschaftler. Die beiden sind von dem Konzept der Telemedizin für Tierhalter und ihre Vierbeiner überzeugt.
Ihren Angaben zufolge steigen die Nutzerzahlen und das Feedback sei gut. Ihrer Meinung nach ist ein Online-Angebot vor allem in zwei Situationen hilfreich. Zum einen ist der Arzt online erreichbar, wenn der analoge Tierarzt es nicht ist. Zweitens können sich Patientenbesitzer lange Wege sparen, wenn sich eine Frage oder ein Problem auch von zu Hause aus klären lässt.
Denn ein Problem kennen alle Tierärzte: Wenn ein Besitzer, aus welchen Gründen auch immer, seinen Tierarzt nicht erreicht oder sich den Besuch sparen will, dann befragt er häufig Dr. Google. Die Hoffnung, dass ein Hausmittelchen das Ganze schon richten wird oder zumindest den teuren Gang zur Klinik abends oder am Wochenende erspart, ist groß. Wenn alternativ auch der fachkundige Rat eines Tierarztes zur Verfügung stünde, dann profitierte vor allem das Tier, erklärt Tierärztin Marten.
„Wir können den Praxen die 'unnötigen Wartezimmer-Füller' abnehmen“ sagt Dr. Marten und fügt hinzu „oft hat man als Tierarzt in der Praxis nicht so viel Zeit für eine ausführliche Beratung, da das Wartezimmer voll ist. Dann bleiben manchmal Fragen der Besitzer ungeklärt. Wir können am Telefon in Ruhe mit ihnen sprechen und auf alle Punkte eingehen.“
Manche ihrer Kunden wünschen sich aber auch eine Beratung in einer Fremdsprache oder rufen sogar aus dem Ausland an. Deutsche, die im Ausland leben und die Meinung eines deutschen Tierarztes hören wollen, schätzen den Service per Internet.
Dass das ganze auch Grenzen hat, wissen die beiden Betreiber der Online-Sprechstunde. „Wir müssen auch einigen Leuten nach einer ersten Anamnese klar und deutlich den Gang zum Haustierarzt oder der nächstgelegenen Tierklinik empfehlen. Unsere Tierärzte sind da alle sehr gewissenhaft und kennen die Grenzen der Telemedizin“, erzählt Marten. Ihr Geschäftspartner ergänzt: „Da hagelt es dann auch häufig schlechte Bewertungen, weil die Leute sich erhofft hatten, um den Tierarztbesuch ganz herum zu kommen“.
Zumindest das scheint also genau wie in der Praxis vor Ort zu sein. Denn die Mentalität der Tierbesitzer, ihren Frust nach einem für sie unbefriedigenden Tierarztbesuch im Internet abzuladen, kennt auch jeder Praxisinhaber.
Bildquelle: Paul Hanaoka, Unsplash