Ich mag gute Arztbriefe. Idealerweise sind sie prägnant und der Hausarzt kann in wenigen Zeilen verstehen, warum der Patient im Krankenhaus war. In der Realität machen sie mich aber oft ratlos.
Solche Arztbriefe erleichtern meine Arbeit extrem, weil ich damit den Patienten auf die Fragen, die oft nach einem Krankenhausbesuch aufkommen, zügig antworten kann und ich als Hausärztin selbst genau weiß, was passiert ist und was erledigt werden muss.
Im Krankenhaus hatte ich einen Oberarzt, der uns bei den Arztbriefen genau darauf gedrillt hat und sehr streng war. Dafür war er bei den Assistenten häufig unbeliebt, weil die ersten Briefe grundsätzlich mit mehr Korrekturstift als Druckertinte zurückkamen. Je länger ich als Hausärztin tätig bin, desto dankbarer bin ich ihm für seine manchmal auch „harte Schule“. Seine Standard-Kritikpunkte habe ich hier für euch aufgelistet.
Ich weiß, dass Briefe für viele nur eine extrem lästige Pflicht sind. Was schade ist, denn sie sind ein extrem wichtiges Kommunikationsmittel und hinterlassen auch definitiv einen Eindruck beim Niedergelassenen, was die Organisation im Krankenhaus angeht. Immerhin kann man inzwischen die meisten Briefe auch lesen, was früher bei vielen handschriftlichen Notizen echt schwierig war. („Kannst du mir mal helfen, ich kann das nicht entziffern ...“ war früher ein sehr häufiger Satz, den ich definitiv nicht vermisse).
Was ziemlich nervt, sind Abkürzungen in Arztbriefen, die nicht erklärt werden. Okay, ein „NSTEMI“ mag eindeutig sein, aber bei „BAA“ geht es schon los: Bradyarrhythmia absoluta oder Bauchaortenaneurysma? Was heißt „Z.n. HWI“? Hinterwandinfarkt oder Harnwegsinfekt? Gerade bei Vertretungspatienten oder Neu-Patienten kosten mich solche Zweideutigkeiten leider wertvolle Zeit. Oder die regelmäßig neu auftretenden Abkürzungen vor allem aus der Radiologie oder der Kardiologie, bei denen ich auch häufiger mal Google befrage. „MINOCA“, „TFCC“, „ULBS“, „RB-ILD“ … Da fällt einem nur noch das Lied von den Fantastischen Vier ein: „MFG“.
In letzter Zeit muss ich aber zugeben, dass ich auch ein paar Mal geschmunzelt habe, wenn ich den Brief gelesen habe. Grund sind die zur Zeitersparnis eingeführten Spracherkennungs-Software-Programme.
Die scheinen zu so großer Euphorie zu führen, dass die Briefe offensichtlich kaum nochmal Korrektur gelesen werden. Das gilt sogar für die endgültigen Arztbriefe bei geplanten Reha-Entlassungen, nicht nur für die vorläufigen Briefe aus überfüllten Notaufnahmen.
Der „deutsche“ Druckschmerz im Oberbauch, der wahrscheinlich ein genuschelter „deutlicher“ Druckschmerz war, aber schon interessant klang beim Lesen. Gibt es auch einen spanischen oder französischen Druckschmerz?
Die „Degenstörung“ war auch schnell erraten – es ging nicht um einen Sportunfall beim Fechten, sondern um eine Bewegungsstörung in der Echokardiographie.
Einen Moment gebraucht habe ich für den „An-Katheter“. Erst beim dritten Lesen fiel mir auf, dass es sich dabei wohl nicht um einen Ausflug zu Pythagoras handelt oder um ein neues urologisches Instrument, sondern um einen „ANCA-Titer“.
An einer Formulierung bin ich aber gescheitert. Eine unserer Patientinnen hat ein fortgeschrittenes Karpaltunnelsyndrom. Die Neurologin hatte neben den klassischen Symptomen wie Hoffmann-Tinel-Zeichen ein „Herbert-Gefühl“ beschrieben. Was ist das? Ich habe in unserer Praxis alle Ärzte gefragt, die Neurologin selbst telefonisch leider nicht erreicht und Google gefragt. Wo mir für die Suchworte „Herbert“ und „Gefühl“ natürlich nur jede Menge Grönemeyer-Songs angeboten wurden.
Also vielleicht kann mir hier jemand helfen? Was bitte ist ein „Herbert-Gefühl“? Gibt es das wirklich oder könnte das auch wieder eine verunglückte Spracherkennung sein? Ich würde mich freuen, wenn das jemand in den Kommentaren aufklären könnte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn das manchmal unglaublich scheint: Wir lesen eure Briefe wirklich (und oft auch gern). Sie geben uns die notwendigen Informationen, damit wir eure Therapie nachvollziehen und weiterführen können. Deswegen, auch wenn es nervt: Bitte achtet auf gut verfasste Arztbriefe. Es verbessert die Zusammenarbeit extrem. Für euch und für uns – und für den Patienten.
Bildquelle: Seb [ P34K ] Hamel, unsplash