In der Schweiz ist es praktisch unmöglich, ein Rezept in der Apotheke ohne direkten Arzt-Patienten-Kontakt einzulösen. Warum ist das in Deutschland anders – ist euch die Patientensicherheit so wenig wert?
Vorausschickend: In der Schweiz sind wir von der elektronischen Gesundheitskarte, die ein elektronisch ausgestelltes Rezept recht einfach und sicher und vor allem gültig machen würde, noch ziemlich weit entfernt. Stattdessen haben wir aber Anspruchsdenken der Patienten, die gerne so einfach wie möglich an ihre Medikamente und (vorher) an ihre Rezepte kommen wollen. Und dagegen steht die aktuelle Gesetzeslage.
Ärzte dürfen nur Rezepte ausstellen, wenn sie den Patienten wirklich gesehen und untersucht haben. Das geht heute teils schon online. Zumindest kann man den Patienten direkt fragen, die Anamnese stellen und teils auch gewisse Dinge via Videochat anschauen. Anhand dessen kann dann ein Rezept ausgestellt werden. Nur – ist das gültig?
Ein Rezept unterliegt in der Schweiz keiner so strengen Form wie zum Beispiel in Deutschland. Es gibt keine festen Rezeptformulare. Kurz gesagt: Auf ein Rezept muss (außer den Medikamenten) unbedingt die Original-Unterschrift und ein Stempel des Arztes. Ein Rezept ist eine Urkunde und das ist der Nachweis, dass das Rezept vom Arzt (direkt) kommt.
Und deshalb – auch weil in letzter Zeit immer häufiger Rezepte nicht mit einer Originalunterschrift in der Apotheke landen – hat bei uns inzwischen das Gesundheitsamt interveniert und diese Meldung herausgegeben:
Rezeptkopien, E-Mails und Faxausdrucke berechtigen grundsätzlich nicht zum Arzneimittelbezug. Ausnahmen:
Also nochmal: Vom Arzt an den Patienten gemailte Rezepte sind ungültig. Egal, ob er sie dann ausdruckt und das Papier bringt (Rezeptausdruck/Kopie ohne Unterschrift) oder der Patient es an die Apotheke weiterleitet (Absender nicht abschließend feststellbar, ausserdem kann der Inhalt in der Zwischenzeit bearbeitet worden sein).
Vom Arzt an die Apotheke direkt gemailte Rezepte können angenommen und ausgeführt werden, wenn Arzt und Patient der Apotheke bekannt sind. Es besteht (bei unbekanntem Arzt) theoretisch die Möglichkeit, das Rezept elektronisch zu signieren. Allerdings habe ich bisher immer noch kein einziges derartiges Rezept gesehen.
Dann steht da im Positionspapier außerdem deutlich: Apotheken dürfen Rezepte ohne eine qualifizierte Unterschrift nicht ausführen. Krankenkassen könnten die Vergütung ablehnen.
Das bedeutet, dass ich Rezeptkopien nicht ausführen kann, auch keine Ausdrucke von Rezepten, wo die Unterschrift des Arztes einkopiert wurde (und nicht selber draufgeschrieben) – selbst dann nicht, wenn es Farbausdrucke sind, die die Arztpraxis dem Patienten selber in die Hand gedrückt hat! Eine Praxis, die in manchen Arztpraxen (und Kliniken) in letzter Zeit zunimmt, wahrscheinlich, weil so die MPAs die Rezepte ausstellen können, ohne dass es den Arzt nochmals braucht.
Ich habe inzwischen ein paar Vorlagen, basierend auf der Nachricht der Gesundheitsdienste, die ich den Praxen und Kliniken in solchen Fällen zukommen lasse. Die meisten verstehen es dann, vor allem wenn man ihnen mitteilt, dass solche Rezepte absolut nicht fälschungssicher sind und mehrmals eingelöst werden könnten.
So, all das geschrieben, dann kann sich jeder denken, dass etwas wie das hier in der Schweiz gar nicht geht:
Erstens: Direktkontakt zwischen Arzt und Patient? Fehlanzeige. Ein Online-Formular auszufüllen, reicht dafür definitiv nicht.
Zweitens: Das geht über eine Apotheke (in diesem Fall online), auch die dürfen elektronische Rezepte nicht annehmen. Vor allem: Was für ein Arzt hat das wohl ausgestellt? Da gibt doch bloß einer seinen Namen dafür. Verantwortungsübernahme? Fehlanzeige.
Drittens: In meinen Augen wird hier zudem ein Medikament verharmlost und wie ein normales Konsumgut dargestellt – das auch noch mit „Goodies“ aufgewertet werden muss?
Wieso ist das in Deutschland offenbar erlaubt? Ist euch die Patientensicherheit so wenig wert?
Bildquelle: Dan Burton, unsplash