Antigen-Schnelltests kommen mittlerweile auch in Deutschland häufig zum Einsatz. Immer klarer wird: Der Tupfer muss nicht in den Rachen – ein vorderer Nasenabstrich tut es auch.
Seit Antigen-Selbsttests für SARS-CoV-2 zur Verfügung stehen, werden sie zunehmend eingesetzt. Alten- und Pflegeheime werden damit für Bewohner- und Eintrittsuntersuchungen ausgestattet. Kommerzielle Schnellteststellen sprießen in vielen Städten aus dem Boden. Und auch in Schulen soll zumindest auf Ebene des Lehrkörpers künftig konsequenter getestet werden. Ein Problem bleibt, dass die derzeit CE-zugelassenen Tests in Europa für einen nasopharyngealen Abstrich zugelassen sind. Das ist für die zu Testenden zumindest unangenehm, und auf Seiten des Testers kann es zu Fehlern kommen, wenn der Abstrich nicht optimal durchgeführt wird.
Zunehmend klar wird jetzt, dass auch ein vorderer Nasenabstrich qualitativ hochwertig möglich ist. „Antigen-Schnelltests sind immer etwas weniger sensitiv als ein PCR-Test. Aber innerhalb der Antigen-Schnelltests liefert ein vorderer Nasenabstrich, der korrekt durchgeführt wird, genauso zuverlässige Ergebnisse wie der nasopharyngeale Abstrich“, betonte Dr. Claudia Maria Denkinger, Leiterin Sektion Klinische Tropenmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg, im Gespräch mit dem DocCheck Newsletter. Die Ärztin hat in den letzten Wochen und Monaten mehrere klinische Validierungsstudien zu Antigen-Schnelltests mit vorderem Nasenabstrich durchgeführt – in enger Kooperation mit der WHO und unabhängig von den jeweiligen Herstellern.
Vor wenigen Tagen veröffentlichte das European Respiratory Journal die Ergebnisse eine dieser Studien. Zum Einsatz kam der für den nasopharyngealen Abstrich zugelassene Antigen-Schnelltest von Biosensor, der dem des Unternehmens Roche entspricht. Insgesamt 289 symptomatische Patienten der Abstrichambulanz der Charité Berlin nahmen teil. Sie führten bei sich selbst unter Anleitung einen beidseitigen vorderen Nasenabstrich durch. Danach machte ein Arzt oder eine Ärztin einen analogen Antigen-Schnelltest per Nasopharyngealabstrich. Und dann erfolgte ein weiterer Nasopharyngealabstrich mit zusätzlichem Oropharyngealabstrich für den Goldstandard, die RT- PCR. Die Spezifität der Schnelltests war unabhängig vom Ort des Abstrichs nahe 100 Prozent, die Sensitivität im Vergleich zur PCR betrug beim selbst durchgeführten, vorderen Nasenabstrich 74,4 % und beim ärztlichen Nasopharyngealabstrich 79,5 %.
„Diese Studie wurde mit den zugelassenen Nasopharyngealtupfern gemacht, also nicht mit für den vorderen Nasenabstrich optimierten Tupfern“, betonte Denkinger. Das ist nicht ideal, weil die Patienten bei diesen flexiblen und etwas borstigen Tupfern oft niesen müssen. Die Heidelberger-Berliner Kooperation hat deswegen eine weitere Studie mit für die vordere Nase optimierten Tupfern durchgeführt, die mittlerweile ebenfalls als Preprint veröffentlicht ist: „In dieser Studie war der vordere Nasenabstrich sogar ein wenig besser als der nasopharyngeale Abstrich.“
Die richtige Technik ist in jedem Fall wichtig: Die Patienten müssen, um möglichst viel Material zu gewinnen, aus beiden Nasenlöchern abstreichen. Sie sollten den Tupfer etwa zwei Zentimeter horizontal einführen und dann ringfömig an der Wand entlangstreichen, dabei möglichst jede Seite des Tupfers mit Material bedecken. „Es ähnelt tatsächlich dem Popeln. Das verstehen die Patienten auch sehr gut. Es ist nicht kompliziert zu erklären“, so Denkinger. Ob vorher die Nase geputzt werden sollte oder nicht, sei unklar, so die Expertin: „Da gibt es bisher keine Daten dazu. In unseren Studien haben die Patienten die Nase vorher nicht geputzt.“
In den bisherigen Studien wurden die Selbstabstriche der vorderen Nase unter Anleitung durchgeführt. Aber natürlich wird diese Art von Tests vor allem dann interessant, wenn es um nicht professionell überwachte Situationen geht, oder aber wenn es um Situationen geht, in denen der Nasopharyngealabstrich schlicht zu umständlich ist. „Pflegeheimtests beispielsweise lassen sich viel besser skalieren, wenn in der vorderen Nase abgestrichen wird“, betonte Denkinger. Auch im Schulkontext sieht die Expertin für die vorderen Nasenabstriche ein sinnvolles Einsatzszenario, etwa bei einem regelmäßigen Testen von Lehrerinnen und Lehrern oder, bei einem Positivfall, bei klassenweisen Tests am Ende einer fünftägigen Kurzquarantäne.
Ein Einsatz von unüberwachten Schnelltests an KiTas und Schulen wird in Deutschland durch die Medizinprodukteabgabeverordnung mittlerweile ermöglicht. Was derzeit noch nicht vorgesehen ist, ist eine breite Abgabe als Over-The-Counter-Produkt in Apotheken oder Drogerien.
Die USA sind da weiter: Erst am Dienstag hat die FDA zum zweiten Mal einen Antigen-Schnelltest für den Heimgebrauch zugelassen. Ein Einsatzszenario für solche Heimtests wäre die Selbstquarantäne. Denn noch immer fallen viele Menschen mit Covid-19 durchs Testraster, weil kaum jemand bei geringen Symptomen zu einer Teststelle geht.
Denkinger plädierte allerdings dafür, nichts zu überstürzen. Irgendwann um den Jahreswechsel herum dürften die ersten europäischen Zulassungen für Antigenschnelltests mit vorderem Nasenabstrich vorliegen. Dann kommen die Produkte in den Handel: „Ich bin prinzipiell eine Befürworterin von Heimtests, aber nur dann, wenn sie nicht auf Kosten von anderen Anwendungsgebieten gehen, wo das Risiko oder die Prävalenz höher sind.“ Mit anderen Worten: Solange die Tests knapp sind, sollten Heime, Schulen oder auch Risikozonen wie etwa Schlachthöfe aus Denkingers Sicht Priorität haben. Der Test am Küchentisch dürfte auch kommen, aber eher nicht als allererstes.
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