Der Medizinische Dienst der Krankenkassen schafft es mit einer Pressemeldung bis in die BILD-Zeitung: Es geht um das Verbot des „Babyfernsehens“ ab Januar. Ein Beispiel für misslungene Kommunikation.
Da wurde mal wieder ordentlich eine Sau durchs Dorf gejagt: „Werdende Eltern aufgepasst! Das Babyfernsehen in der Schwangerschaft wird ab dem kommenden Jahr verboten!“ trompetete Ende vergangener Woche die BILD-Zeitung. Anlass war eine Pressemeldung des Medizinischen Diensts des Spitzenverbands der Krankenkassen (MDS), die dieser über seine Webseite IGeL-Monitor verbreitet hatte. Der MDS, oder überhaupt die Krankenkassen, sind bekanntlich keine Fans von IGeL-Leistungen. Wie auch? Da die deutschen Krankenkassen ja alles bezahlen, was medizinisch notwendig ist, ist quasi per Definition alles, was selbst bezahlt werden muss, medizinisch nicht notwendig. So einfach ist das im deutschen Gesundheitswesen.
Wie gut, dass es da den Gesetzgeber gibt, der das nicht Notwendige dann auch gleich noch verbietet. Kann man schon mal eine Schlagzeile draus machen, auch wenn das Ganze nicht wirklich neu ist. Wer es nachlesen will, findet das Verbot des „Baby-Fernsehen“, „Baby-Viewing“ oder „Baby-Kino“ im §10 der Verordnung zum Schutz vor der schädlichen Wirkung nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV). Die NiSV ist ein Teil der Verordnung zur weiteren Modernisierung des Strahlenschutzrechts, und die wurde bereits Ende 2018 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Dass das Thema jetzt (wieder) auf den Teller kommt, liegt schlicht an endenden Umsetzungsfristen. Der besagte §10 derNiSV besteht aus einem ziemlich lapidaren Satz: „Bei der Anwendung von Ultraschallgeräten zu nicht-medizinischen Zwecken darf ein Fötus nicht exponiert werden.“ Mehr steht da nicht.
Das alles ist vor allem ziemlich unstrittig. „Die Strahlenschutzverordnung verbietet jeden Ultraschall in der Schwangerschaft, der nur dem Zweck des alleinigen Babyfernsehen dient“, sagt PD. Dr. Kai-Sven Heling, langjähriges Vorstandsmitglied bei der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) und Mitinhaber eines großen Pränataldiagnostik-Zentrums in Berlin. Der Berufsverband der Frauenärzte (BdF) geht damit auch d’accord: Er hat schon Anfang 2019 betont, dass es „hoch problematisch“ sei, wenn Paare sich ihr „Baby-Kino“ außermedizinisch holten, etwa indem sie sich Geräte ausleihen oder einen Ultraschall von nicht-medizinischen Anbietern durchführen lassen.
Tatsächlich segelten einige Ultraschallanbieter bis zuletzt unterhalb des Radars des europäischen Rechts. Vor allem hierauf zielt die NiSV. Problematisch wird die Kommunikationsoffensive des MDS dadurch, dass sie „Baby-Fernsehen“, „IGeL-Leistung“ und „3D/4D-Ultraschall“ in einen Topf wirft und mit dem Strahlenschutzgesetz-Schneebesen einmal kräftig durchrührt.
Worum genau geht es also? Und worum nicht? Vor allem geht es – Strahlenschutzgesetz hin oder her – nicht um Strahlung. Ultraschall nutzt (mechanische) Schallwellen, keine ionisierenden Strahlen. Das hat zumindest Missverständnispotenzial, ein Punkt, der auch Heling und der DEGUM am Herzen liegt: „Die DEGUM sieht die Strahlenschutzverordnung ausgesprochen kritisch, dadadurch die Methode Ultraschall unberechtigt in Verruf gebracht wird.“
Im Vorfeld der Veröffentlichung der Verordnung zur weiteren Modernisierung des Strahlenschutzrechts im Jahr 2018 habe es dazu einen umfangreichen Schriftverkehr mit dem zuständigen Bundesumweltministerium gegeben, so Heling zu DocCheck. Ohne Erfolg. Ultraschall ist juristisch seither Strahlung. Irgendwie. Ein bisschen. Oder so. Für die DEGUM macht Heling aber unmissverständlich klar: „Ultraschall schädigt keinen Feten. Dazu haben wir aucheine umfangreiche Stellungnahme veröffentlicht.“
Um Strahlung geht es also nicht. Dann geht es vielleicht um den 3D/4D-Ultraschall. Der Ultraschall beim Baby-Kino, so MDS und IGeL-Monitor in ihrer Pressemitteilung in Bezugnahme auf die Formulierung in einer damaligen Gesetzesbegründung, sei wegen seiner „hohen Ultraschallintensitäten [...] mit einem potenziellen Risiko für das Ungeborene verbunden.“ Also besser 2D? Oder wie?
Kann man so leider auch nicht sagen. Nochmal Kai-Sven Heling: „Da beim klassischen 3D/4D-Ultraschall ein Volumen gescannt wird, trifft während der Aufnahme der Schallstrahl sogar weniger auf Gewebe als beim 2D-Ultraschall. Insofern ist 3D/4D vollkommen unkritisch. Die Werte des TI liegen bei allen Anwendungen in einem Bereich kleiner 0,1 bis 0,5.“ TI ist der thermische Index, der etwas über die Gewebeerwärmung beim Ultraschall aussagt. Der Grenzwert, unterhalb dessen theoretisch unbegrenztes Schallen möglich ist, liegt bei 0,7. Mitanderen Worten: Von irgendeinem kritischen Bereich ist der 3D/4D Ultraschall weit entfernt.
Und er wird in der Pränatalversorgung auch breit eingesetzt. Die Mutterschaftsrichtlinie sieht mehrere Ultraschalluntersuchungen vor, nicht als Baby-Fernsehen, sondern aus medizinischer Indikation. Dafür werde selbstverständlich auch der 3D/4D-Ultraschall eingesetzt, wie Heling betont: „Das macht Sinn, weil wir einen Erkenntnisgewinn erzielen. Die Methode ist bei Weitem mehr als nur Gesicht anschauen, und sie ist fester Bestandteil einer typischen Ultraschalluntersuchung in der Schwangerschaft.“
Ok, also um 3D/4D-Ultraschall geht es auch nicht. Worum dann? Die Meldung des MDS der Krankenkassen macht keinen Hehl daraus, worum es ihr wirklich geht: „Viele Praxen bieten [Baby-Kino] Untersuchungen als Selbstzahlerleistung (IGeL) an. Eine neue Verordnung im Strahlenschutzgesetzt soll Embryos schützen.“ Schützt den Embryo vor den IGeL-Leistungen, die nur Geldmache der Gynäkologen sind! Darum geht es.
Nur: Das ist Augenwischerei. Dahinter steckt, dass es für den 3D/4D-Ultraschall keine eigene Abrechnungsziffer gibt, ob als Teil einer durch die Mutterschaftsrichtlinie abgedeckten Untersuchung oder sonst wie. Pränatalzentren, die 3D/4D anbieten wollen, weil er besser ist als 2D, müssen dasanders refinanzieren. Über die GKV geht es nicht. Mit anderen Worten: Familien, die die medizinisch oft sinnvolle 3D/4D-Untersuchung im Rahmen eines durch die Mutterschaftsrichtlinie abgedeckten Ultraschall-Checks in Anspruch nehmen möchten, werden diese auch künftig als eine IGeL-Leistung angeboten bekommen. Nicht Neues unter der Sonne. Oder die Familie begnügt sich mit der 2D-Untersuchung. Die steht im Leistungskatalog der GKV und ist damit per Definition alles, was nötig ist.
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