Seit Dezember 2020 dürfen Apotheker Antigen-Tests auf SARS-CoV-2 in den eigenen Räumlichkeiten durchführen. Dr. Björn Schittenhelm, ein Apotheker aus Holzgerlingen, hat sich da jetzt etwas Größeres einfallen lassen.
Nach der Novellierung der Testverordnung am 02. Dezember 2020 ist es nun auch Apothekern nach einer entsprechenden Fortbildung gestattet, Antigen-Tests bei ihren Kunden in den Räumlichkeiten der Apotheke durchzuführen.
Dr. Björn Schittenhelm dreht da ein deutlich größeres Rad, denn der Apotheker hat in Holzgerlingen ein ganzes Testzentrum aus dem Boden gestampft. Wie es dazu kam? Zuerst hatte er Antigen-Tests gekauft, um sie an Ärzte aus der Nähe abzugeben. Die Hausärzte im Umkreis seiner Apotheke sahen jedoch für sich selbst keine Kapazitäten, weil sie mit dem normalen Patientenbetrieb bereits ausgelastet waren. Eine Schwerpunktpraxis teilte mit, dass sie komplett ausgebucht sei und eine Lösung für die vielen asymptomatischen Patienten brauchte, die sich neben den Betroffenen mit Symptomen bei ihnen einfinden.
So entstand die Idee zum Testzentrum, das in voll digitalisierten Prozessen Menschen ohne oder mit nur leichten Symptomen testet, damit sie aus den Praxen herausgehalten werden können. Es soll daher zur Detektion von Superspreadern dienen, die sich trotz starker Virenlast gesund fühlen und auf diese Weise viele weitere Menschen anstecken könnten.
Federführend ist hier zwar Schittenhelm mit seiner Alamannen-Apotheke, doch sollten die Tests nicht in den Apothekenräumlichkeiten stattfinden, sondern in extern angemieteten Räumen, die volldigitalisiert ein Durchschleusen mehrerer Menschen im Zweiminutentakt per Ampelsystem ermöglichen. Dafür kamen der Öffentliche Gesundheitsdienst beziehungsweise das Gesundheitsamt ins Spiel, das Dritte beauftragen darf, unter ärztlicher Leitung Tests durchzuführen. Das bedeutet, dass eine Praxis die Probennehmer schult und Aufsicht führt, aber nicht ständig bei den Abstrichen anwesend sein muss.
Schittenhelm hat seine Testzentrum-Idee dem Gesundheitsamt vorgestellt. Daraufhin wurden die Räumlichkeiten – ein Bürokomplex in Holzgerlingen mit Einbahnstraßensystem ähnlich des Impfzentrums – begutachtet. Das Hygienekonzept umfasst unter anderem sichere Schutzkleidung für die Mitarbeiter sowie einen Hygieneplan zur Desinfektion der Hände und der Umgebung, regelmäßiges Lüften, ständige FFP2-Pflicht, einen desinfektionsfähigen Boden und verschiedene andere Arbeitsanweisungen. Der Komplex im Erdgeschoss hat zwei Anmelderäume und einen Testraum mit zwei großen Boxen, in denen die Abstriche durchgeführt werden können. Dieses Konzept konnte überzeugen und wurde daher schnell genehmigt.
Für die Abstrichentnahme an den Patienten kam der DRK-Ortsverein mit seinen 50 Bereitschaftsdienstleistern ins Boot. Ehrenamtlich tätige Rettungssanitäter machen den Abstrich nach etwa zweistündiger Schulung und zusätzlich kümmert sich eine Apothekerin fast in Vollzeit um das Projekt und ist vor Ort. Schittenhelm betont, dass jeder Test immer nur so gut wie der Abstrich sein kann. Dabei sei ein professionell durchgeführter tiefer Nasen-Rachen-Abstrich besser als ein Eigenabstrich.
Inzwischen laufen die Testungen täglich von 17 bis 19 Uhr. Die Termine werden im 2-Minuten-Takt vergeben – eine Anmeldung ist unbürokratisch über die Homepage möglich. Jeder Kunde bekommt ein Ticket per QR-Code, mit dem er sich im Zentrum anmeldet. Möglich macht das eine App, über die auch etwa eine Viertelstunde nach dem Verlassen der Räumlichkeiten das Ergebnis mitgeteilt wird. Im Anmelderaum erhält jeder Kunde einen Flyer und die obligatorische Datenschutzeinwilligung. Diese ist nötig, um im Falle eines positiven Ergebnisses die Daten ans Gesundheitsamt melden zu können.
Auf diese Weise sind vorerst 60 bis 100 Tests am Tag geplant. Die Belastung für die Mitarbeiter soll durch die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen, den Einsatz von Einweisern für die zu testenden Personen und die zeitliche Beschränkung auf zwei Stunden am Tag erträglich bleiben. Nur während der Weihnachtszeit blieb das Testzentrum von 9–19 Uhr geöffnet, um möglichst viele Testungen während dieser prekären Tage zu gewährleisten.
Bisher sind die Menschen, die zur Testung kommen vor allem Selbstzahler. Künftig sollen die Ärzte in der Umgebung direkt wie an ein Labor überweisen können, dabei aber für den Patienten die komplette Leistung abrechnen dürfen. Damit könnte die KV, die die Betriebskosten dieses Testzentrums übernimmt, auch die Kosten für die Tests bezahlen – das wären 9 Euro und damit laut Schittenhelm eine „schwarze Null“ für den Ertrag. Durch die Beteiligung der KV für das Testzentrum kostet ein Test die Selbstzahler zurzeit 29 Euro, das Risiko für Schittenhelm bleibt betriebswirtschaftlich überschaubar.
Geplant ist der Betrieb dieses Testzentrums vorerst für ein halbes Jahr – die Räumlichkeiten könnten jedoch im Anschluss bedingt durch ihren Aufbau ebenfalls als Impfzentrum nutzbar sein. Schittenhelm überlegt außerdem, wie er ein mobiles Testzentrum für Pflegeheime realisieren kann.
Bildquelle: Werner Du plessis, Unsplash