Es gibt nicht nur einen Import von Proteinen in die Mitochondrien, sondern auch einen Export. Um beispielsweise die Zellatmung zu regulieren, transportiert ein Kanal in der Außenmembran der Mitochondrien Proteine bei Bedarf wieder aus den Kraftwerken der Zelle hinaus.
Mitochondrien enthalten mehr als 1.000 Eiweißmoleküle, die die wichtigen Stoffwechselvorgänge im menschlichen Körper steuern. Ein Großteil dieser Proteine ist nötig, um die Energie aus Nahrungsmitteln in den Reaktionen der Zellatmung für den Körper nutzbar zu machen.
Die Mitochondrien des Menschen stellen nur 13 der Proteine, die sie enthalten, in ihrem Inneren her. 99 Prozent der Eiweißmoleküle gelangen aus dem Cytosol in die Mitochondrien. Die Translokase der äußeren Membran (TOM) transportiert die Proteine in den mitochondrialen Innenraum, wo sie durch andere Proteine an ihrem Arbeitsort gefaltet werden. Kleine lösliche Proteine werden mit Schwefel-Schwefel-Bindungen stabil fixiert. Nachdem die Wissenschaftler um Prof. Dr. Agnieszka Chacinska vom International Institute of Molecular and Cell Biology in Warschau/Polen diese Bindungen in den Mitochondrien lösten, fand ein Export der Eiweißmoleküle zurück in das Cytosol statt. Zudem ließen die Forscher veränderte Proteine, die keine Schwefel-Bindungen ausbilden konnten, in die Mitochondrien importieren. Obwohl diese Proteine nachweislich in die Mitochondrien transportiert worden waren, fanden die Wissenschaftler sie anschließend nur im Cytosol. Um zu analysieren, ob die Proteine jeweils durch den TOM-Kanal zurückgelangen, blockierten die Forscher den Kanal. Dadurch verhinderten sie den Export der Proteine ins Cytosol. Ein Modell des TOM-Kanals. © Bragoszewski et al.
Warum machen sich die Zellen die Arbeit, die Proteine erst in die Mitochondrien zu importieren, um sie danach wieder zu exportieren? „Dieser Mechanismus ermöglicht es der Zelle, sich schnell auf veränderte Bedingungen einzustellen“, sagt Wiedemann. Auf diese Weise kann der Körper die Zellatmung innerhalb weniger Minuten abschalten. Andernfalls würden sich in den Mitochondrien giftige Sauerstoffverbindungen bilden, die Zellschäden hervorrufen. Wiedemanns Fazit: „Wenn gerade niemand hereinkommt, kann der Eingang einfach als Ausgang benutzen werden.“ Wie im echten Leben gelte dies auch für die Zellkraftwerke. Originalpublikation: Retro-translocation of mitochondrial intermembrane space proteins Piotr Bragoszewski et al.; PNAS, doi:10.1073/pnas.1504615112; 2015