Erneut zeigt eine Studie zu Blutdrucksenkern und COVID-19: Die Behandlung von Hypertonikern mit ACE-Hemmern könnte das Risiko für einen schweren Verlauf senken.
Patienten mit Bluthochdruck erkranken häufig schwer an COVID-19. Grund dafür ist vermutlich eine überschießende Reaktion des Immunsystems, wie eine aktuelle Studie zeigt. Das Risiko, an einem schweren Lungenversagen durch COVID-19 zu erkranken, könnte jedoch durch die Einnahme verschiedener blutdrucksenkender Medikamente wie ACE-Hemmern oder sogenannten AT1-Blockern – in unterschiedlichem Ausmaß – reduziert werden.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Arbeitsgruppe des Universitätsklinikums Leipzig in Zusammenarbeit mit Kollegen des Berlin Institute of Health (BIH), der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg (DKFZ). Die Studienergebnisse wurden nun in Nature Biotechnology veröffentlicht.
„Das [...] SARS-CoV-2-Virus führte zu einer starken Zunahme der Zahl von Patienten, welche wir in unserem Zentrum mit einem Lungenversagen behandeln mussten“, so Dr. Laudi vom Universitätsklinikums Leipzig. Dabei fiel auf: Die meisten Patienten auf der Intensivstation mit einem schweren COVID-19-Lungenversagen wiesen eine Herz-Kreislauf-Erkrankung wie beispielsweise einen Bluthochdruck auf.
Ziel der Studie war es, hinter den möglichen Mechanismus dieses Phänomens zu blicken. Hierfür untersuchten die Forscher Patienten mit und ohne COVID-19 und dabei spezielle Gruppen von Patienten mit und ohne einen Bluthochdruck oder eine andere Herz-Kreislauf-Erkrankung. Erfasst wurde immer, ob und wie diese Grunderkrankung behandelt worden war. Für die Analyse wurden einzelne lebende Zellen aus den Atemwegen von Patienten gewonnen und auf ihre Funktion analysiert. Anschließend wurde die zelluläre Abschrift des genetischen Codes einer jeden einzelnen Zelle ausgelesen. So konnte der Funktionsstatus der Zellen beurteilt werden.
Eine erste Auswertung zeigte, dass Patienten mit einem Bluthochdruck grundsätzlich eine leichte Voraktivierung spezieller Immunzellen aufweisen. Im Fall einer SARS-CoV-2-Infektion kann dies jedoch fatale Folgen haben.
„Wenn das Immunsystem bereits dauerhaft aktiviert ist, kann das bei einer akuten Entzündung dazu führen, dass der Körper nicht mehr normal darauf reagieren kann“, erklärt Dr. Völker vom Universitätsklinikums Leipzig. „Diese sehr leichte Entzündung ist allerdings nicht in einer normalen Blutuntersuchung zu erkennen, sondern kann nur bei der genauen Analyse einzelnen Zellen sichtbar gemacht werden.“
In einem zweiten Schritt wurden COVID-19-Patienten, die wegen einer Bluthochdrucktherapie eines der fraglichen Blutdruckmedikamente einnahmen, mit jenen, die keine Medikamente einnahmen, verglichen. Völker: „Durch die Einnahme von ACE-Hemmern oder sogenannten AT1-Blockern konnte das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufes deutlich reduziert werden.“
Allerdings war das Ausmaß der Reduktion unterschiedlich: Während durch AT1-Antagonisten nur eine leichte Reduktion des Risikos für schweres COVID-19 beobachtet wurde, konnte durch die Einnahme von ACE-Inhibitoren das Risiko nahezu komplett aufgehoben werden.
Intensivmediziner Laudi betont, dass es sich bei dieser Arbeit um eine Grundlagenstudie handelt: „Eine Therapieempfehlung für Patienten mit COVID-19 darf man daraus keinesfalls ableiten“, erklärt er, „hier müssen große klinischen Studien folgen.“
Der Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Leipzig AöR.
Bildquelle: Stefan Woidig, flickr