Welche Rolle der Thymus bei normal verlaufenden Schwangerschaften spielt, war bisher nicht klar. Jetzt liegen neue Erkenntnisse zur Funktion des Organs vor.
Wie es der weibliche Körper schafft, ein gesundes Baby zu bekommen, ist immer noch eine der wesentlichen Fragen der Forschung. Schon die alten Ägypter beschäftigten sich mit dem Thema, wie Hieroglyphen illustrieren. Neben der Plazenta wurde in diesen antiken Abbildungen auch der Thymus als ein Organ dargestellt, das für eine gesunde Schwangerschaft wichtig ist. Welche biologischen Mechanismen dafür verantwortlich sind, war bis aber selbst bis jetzt nicht bekannt.
Während aus einer befruchteten Eizelle ein neuer Organismus heranwächst, wird das Immunsystem der werdenden Mutter auf die Probe gestellt, denn es darf das heranwachsende Baby nicht als Fremdkörper bekämpfen und muss trotzdem für eine gesunde Immunabwehr der Mutter sorgen. Die Thymusdrüse ist ein zentrales Organ des Immunsystems, in der auch eine wichtige Untergruppe von T-Zellen, die als regulatorische T-Zelle oder Treg bezeichnet wird, produziert wird. Die Hauptfunktion einer Treg-Zelle besteht darin, andere Immunzellen zu steuern. Während der Schwangerschaft wirken auch Hormone auf die Thymusdrüse, was sich wiederum auf das Immunsystem auswirkt.
In einer aktuellen Studie berichtet ein Team um Josef Penninger, dass RANK/L auch im Thymus wirkt und das Immunsystem während der Schwangerschaft beeinflusst. Die Forscher arbeiteten mit einem Mausmodell, bei dem RANK im Thymus deaktiviert war. „Fehlt das Protein RANK im Thymus, konnten weniger Treg Zellen gebildet werden. Dies führte aber auch zu weniger Tregs in der Plazenta, was in einer erhöhten Fehlgeburtenrate resultiert“, erklärt Erstautorin Magdalena Paolino, die ein Labor am renommierten Karolinska Institutet in Schweden leitet.
Die Studie zeigt zudem, dass bei normalen Schwangerschaften die produzierten Tregs auch in das Fettgewebe der Mutter wandern, um Entzündungen zu verhindern und die Kontrolle des Glukosespiegels im Körper zu unterstützen. „Schwangere Mäuse ohne RANK hatten einen hohen Glukose- und Insulinspiegel im Blut und ähnlich wie die Babys von Frauen mit Gestationsdiabetes waren die neugeborenen Mäuse viel schwerer als der Durchschnitt“, so Paolino.
Darüber hinaus fanden die Forscher, dass ein Mangel an Tregs während der Schwangerschaft nachweislich langanhaltende Auswirkungen auf die Nachkommen hatte, die ein Leben lang an Diabetes und Übergewicht litten. Erhielten die Mäuse, bei denen RANK deaktiviert war, Tregs, die aus dem Thymus bei normalen Schwangerschaften isoliert worden waren, konnten Fehlgeburten und erhöhter mütterlicher Glukosespiegels verhindert und auch das Körpergewicht der neugeborenen Mäuse normalisiert werden. Die Forscher analysierten anhand von Daten der Meduni Wien auch Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes, wobei sie eine verminderte Anzahl von Tregs in ihrer Plazenta feststellten, ähnlich wie bei der Studie an Mäusen.
Diese Arbeit knüpft direkt an frühere Arbeiten über das RANK/L-System des Penninger Teams an. 1999 publizierten die Wissenschaftler, dass RANK/L im Mausmodell den Knochenstoffwechsel steuert, woraufhin ein Medikament gegen Knochenschwund entwickelt wurde. Der RANK/L Signalweg ist durch Sexualhormone reguliert, was wiederum erklärt, warum Frauen besonders anfällig für Knochenschwund sind. Eine weitere Schlüsselfunktion nimmt RANK/L für die Milchproduktion in der Brustdrüse bei allen schwangeren Säugetieren ein.
„RANK/L ist ein Schlüssel für viele biologischen Vorgängen im Körper, die eine erfolgreiche Schwangerschaft und Stillzeit ermöglichen. Leiden Frauen unter Schwangerschaftsdiabetes, steigt auch das Risiko der Kinder zeitlebens an Diabetes oder Adipositas zu erkranken“, erklärt Penninger, Letztautor der aktuellen Nature-Publikation.
Dieser Signalweg lässt sich auch für Therapien gegen Brustkrebs nutzen, denn RANK/L kann verstärkt durch Sexualhormone und bestimmte Mutationen (wie etwa die BRCA-Mutationen) durch fehlreguliertes Wachstum der Brustdrüsen den Brustkrebs antreiben. Das damals gegen Knochenschwund entwickelte Medikament wird nun in einer klinischen Studie zur Brustkrebsprävention in Phase III getestet.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Instituts für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Chunlea Ju, Unsplash