Versagen konservative Therapien, behandeln HNO-Ärzte Nasenpolypen meist chirurgisch. Der Erfolg ist oft nur von kurzer Dauer, häufig kommen die Polypen zurück. Antikörper wie Omalizumab und Dupilumab bieten neue Behandlungschancen. Doch die Biologicals sind teuer.
In Europa leiden rund zehn Prozent aller Menschen an einer chronischen Rhinosinusitis und zwei bis vier Prozent entwickeln Nasenpolypen, auch Polyposis nasi genannt. Neben Symptomen wie einem schlechteren bis fehlenden Geruchssinn, Druckgefühl, Schmerzen, Sekretbildung oder erhöhter Temperatur fordern internationale Leitlinien zur Diagnostik den endoskopischen beziehungsweise radiologischen Nachweis. Bei der Therapie stehen momentan topische Glukokortikoide und chirurgische Verfahren im Mittelpunkt. Doch das könnte sich schon bald ändern.
Experten nennen auch in der deutschen Leitlinie topische Glukokortikoide als Erstlinienempfehlung. Bei einer Metaanalyse mit 25 randomisierten placebokontrollierten Studien besserten sich vor allem typische Symptome wie die Sekretion und die Nasenatmung. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Cochrane Collaboration in einer Review. Orale Glukokortikoide zeigen einen stärkeren Effekt. Patienten profitieren auch von Kombinationen topischer und systemischer Wirkstoffe, wobei die Datenlage eher schlecht ist. Dem stehen bei längerfristiger Anwendung Nebenwirkungen wie Ödeme, Schwächungen der Immunabwehr sowie ein höheres Osteoporose- oder Diabetes-Risiko gegenüber. Endoskopischer Blick in die linke Nasenhöhle. Zu sehen ist ein großer Choanalpolyp, also ein gestielter Nasenpolyp, der seinen Ursprung häufig in der Kiefer- oder Siebbeinhöhle hat. Quelle: Wikimedia Commons / Michael Hawke MD, CC BY 4.0
Versagen konservative Therapien, spricht viel für eine Operation. Da Polyposis nasi mit chronischen Entzündungen einhergeht, lindert die Entfernung von Polypen allein entsprechende Beschwerden nur kurzfristig. In einem Interview weist Professor Dr. Claus Bachert von der Uni Gent darauf hin, dass selbst funktionelle endoskopische Nasennebenhöhlenoperationen (FESS) bei Patienten mit Entzündungsmarkern nicht immer den gewünschten Erfolg zeigen. Bei FESS tragen Ärzte das entzündete Gewebe endoskopisch ab. Bachert berichtet von Erfolgen mit der erweiterten Stirnhöhlendrainage vom Typ III nach Draf. Hier wird die Stirnhöhle von der Nase aus eröffnet. Anschließend entfernt der Operateur auch dort die Schleimhäute. Im Bereich der Nasenscheidewand, des Nasenbodens und ggf. der mittleren Nasenmuscheln entfernen Ärzte die Schleimhäute nicht. Diese bilden eine Basis zur Neubesiedlung der Nasennebenhöhlen. Als Kriterien für die recht zeitaufwändige OP nennt Bachert Rezidive nach früheren Eingriffen plus Biomarker wie Eosinophile beziehungsweise Immunglobulin E (IgE).
Mittlerweile gibt es Hinweise, dass die chronische Rhinosinusitis kein einheitliches Krankheitsbild darstellt. Unterschiedliche entzündliche Mechanismen führen zum gleichen Phänotyp. Viel spricht für die stärkere Expression mehrerer Interleukine im betroffenen Gewebe. Ein Übersichtsartikel nennt hier vor allem IL-4, IL-5, IL-6, IL-25, IL-32 und IL-33. Forscher sehen auch Assoziationen zwischen mehreren Chemokinen und der Einwanderung von Zellen in die Schleimhaut. Entsprechende Proteine sind für chemotaktische Bewegungen von Zellen im Körper verantwortlich. Beispielsweise lockt CCL5 (CC-chemokine ligand 5) Eosinophile ins Gewebe. CXCL8 (CXC-Motiv-Chemokin 8) angelt sich Neutrophile beziehungsweise Eosinophile, und CCL23 (CC-chemokine ligand 23) ist für Monozyten, dendritische Zellen oder Lymphozyten äußerst attraktiv. Die Botenstoffe eignen sich als neue vielversprechende Möglichkeiten für Pharmakotherapien.
Bereits seit Ende 2005 ist Omalizumab in Deutschland bei schwerem allergischen Asthma bronchiale zugelassen. Der rekombinante humanisierte monoklonale Antikörper bindet im Körper zirkulierendes Immunglobulin E (IgE) an einen Rezeptor mit hoher Affinität. Neue Studien haben gezeigt, dass der Antikörper IgE von zwei Membranrezeptoren, also Bindungsstellen für verschiedene Immunglobuline, verdrängt. Dadurch wird die Aktivierung von Basophilen aufgehoben. Erhielten Patienten mit Asthma, chronischer Rhinosinusitis und Nasenpolypen Omalizumab, verbesserte sich nicht nur die Atemwegserkrankung. Auch der endoskopische Polypen-Score zur Quantifizierung von Größe und Ausdehnung verringerte sich. Laut Leitlinie sollte der Einsatz „langfristig, nach derzeitigem Kenntnisstand ggf. unbefristet“ erfolgen. Momentan ist der Antikörper nur bei IgE-vermitteltem Asthma oder chronischen spontanen Urtikaria zugelassen. Er schlägt mit 263,67 Euro (75 mg) beziehungsweise 516,33 Euro (150 mg) zu Buche. Wissenschaftler gaben sich damit nicht zufrieden. Sie fanden weitere vielversprechende Biologika, um IgE noch spezifischer abzufangen. Dupilumab, ein weiterer Antikörper, verringerte nicht nur den Polypen-Score. Auch die Nasenatmung und das Riechvermögen verbesserten sich. Gleichzeitig wurde weniger Sekret abgesondert. In einer klinischen Studie hat sich Dupilumab ebenfalls bewährt. Der monoklonale Antikörper zielt auf IL-4 und IL-13 ab. Unter Verum verbesserten sich nicht nur endoskopische Polypen-Scores. Patienten konnten besser riechen, bekamen per Nasenatmung leichter Luft und berichteten von einer höheren Lebensqualität. Sie erhielten Verum oder Placebo einmal pro Woche als Add-on zusammen mit Glukokortikoiden. Bislang darf Dupilumab bei mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis verordnet werden. In der Leitlinie wird Dupilumab bislang nicht erwähnt. Zwei Fertigspritzen (600 mg) liegen bei 1.782,73 Euro. Die Jahrestherapiekosten lassen sich bei neuen Wirkstoffen nur schwer angeben. Manche Studien liefen zu kurz und schlossen zu wenige Patienten ein. Außerdem ist nicht immer klar, welche Gruppe profitiert. Zum Vergleich sei trotzdem eine Größenordnung genannt: Glukokortikoide zur Erstlinientherapie liegen in einer Größenordnung von sechs bis zehn Euro pro Monat.
Mit Reslizumab hatten Forscher ebenfalls Erfolg. Der humanisierte monoklonale Antikörper richtet sich gegen IL-5. Bei jedem zweiten zufällig ausgewählten Patienten verringerten sich Nasenpolypen durch eine einzige Gabe des Antikörpers. Der Effekt hielt vier Wochen lang an. Hohe IL-5-Spiegel im Nasensekret eigneten sich, um den Therapieerfolg in gewissem Umfang zu prognostizieren. Unter der Pharmakotherapie fiel dieser Wert stark ab. Die Kosten betragen 157,20 Euro pro Gebinde. Bislang liegt nur eine Zulassung bei eosinophilem Asthma vor, sollten Erstlinientherapien versagen. Ähnliche Daten liegen zu Mepolizumab, einem weiteren IL-5-Antikörper, vor. „Damit ist die Wirksamkeit dieser Therapieform prinzipiell belegt“, konstatieren die Leitlinienautoren. Mepolizumab verursacht Kosten in Höhe von 1.957,12 Euro für 100 mg. Das Präparat darf derzeit bei schwerem refraktärem eosinophilem Asthma verordnet werden.
„Ausgewählte Biologika können bei Versagen etablierter Therapieformen im Einzelfall bei chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen eingesetzt werden“, stellen die Leitlinienautoren fest. Jede Anwendung erfolgt derzeit off label, was zu medizinischen und wirtschaftlichen Risiken führt. Ärzte haften bei eventuellen Nebenwirkungen, und Krankenversicherungen sind nicht verpflichtet, entsprechende Kosten zu übernehmen. Das könnte sich bald ändern. Momentan laufen zwei Phase-III-Studien zur Therapie der Polyposis nasi mit Omalizumab (POLYP1, POLYP2). Auch mit Dupilumab (SINUS-24, SINUS-52) gibt es Untersuchungen auf diesem Level. Und nicht zuletzt steht Mepolizumab im Fokus einer Phase III-Studie. Alle Daten bilden die Basis für mögliche Zulassungen. Angesichts der hohen Preise wird der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) alle Ergebnisse genau unter die Lupe nehmen und an zweckmäßigen Vergleichstherapien messen. Sobald Biosimilars, also strukturell ähnliche Nachahmerprodukte, den Markt erobern, ist mit sinkenden Kosten zu rechnen.