Zur Therapie von COVID-19 mit Rekonvaleszentenplasma gibt es neue Erkenntnisse. Entscheidend für den Erfolg dieser Therapieform scheint vor allem der Zeitpunkt zu sein.
Über die Behandlung von COVID-19-Patienten mit Rekonvaleszentenplasma haben wir bereits mehrmals berichtet (z. B. hier oder hier). Die Wirksamkeit dieser Therapieform ist aber bislang unklar, weil die Studienlage durchwachsen ist. Ein Editorial im NEJM ordnet die bisherigen Erkenntnisse ein.
Anfangs zielte man bei der Behandlung mit Rekonvaleszentenplasma auf moderat bis schwerkranke hospitaliserte COVID-Patienten ab. Mehrere randomisierte Studien ergaben hier aber keinen Vorteil für die Patienten. Allerdings, so heißt es einschränkend im NEJM, waren einige Studien underpowered und äußerst heterogen, unter anderem hinsichtlich der Eigenschaften des verwendeten Rekonvaleszenzplasmas (z. B. dessen Antikörpergehalt). Qualitativ hochwertige Studien sind daher dringend notwendig.
Bessere Ergebnisse scheint die Therapie mit Rekonvaleszentenplasma zu erzielen, wenn sie so früh wie möglich im Verlauf der Krankheit gegeben wird. Aktuell kann sich die Studie von Joyner et al. dahingehend sehen lassen.
Sie haben in einer Doppelblindstudie untersucht, ob die frühzeitige Gabe von Rekonvaleszentenplasma mit einer hohen Menge an Antikörpern eher mit einem reduziertem Mortalitätsrisiko assoziiert ist als Plasma, das weniger Antikörper enthält.
Die Autoren erfassten die Levels der Anti-SARS-CoV-2-IgG im Plasma, das für die Behandlung hospitalisierter Patienten mit COVID-19 zum Einsatz kam. Die Transfusion mit Plasma oder Placebo erfolgte innerhalb von 72 Stunden nach der Diagnose und die Probanden waren im Alter von 65 bis 74 Jahren.
In der Hochtiter-Gruppe wurde ein niedrigeres Mortalitätsrisiko innerhalb von 30 Tagen beobachtet verglichen mit der Niedrig-Titer-Gruppe, allerdings nur, wenn keine invasive Beatmung stattfand. Bei den Patienten, die invasiv beatmet wurden, konnte kein Effekt auf die Mortalität festgestellt werden.
Die Autoren schlussfolgern, dass die frühe Verabreichung von hochtitrigem Rekonvaleszenzplasma gegen SARS-CoV-2 an leicht erkrankte, ältere Erwachsene das Fortschreiten von COVID-19 reduziert.
„In Deutschland wird Rekonvaleszentenplasma im Moment eher wenig eingesetzt“, sagt Prof. Christian Karagiannidis gegenüber DocCheck. Er ist Leiter des ARDS- und ECMO- Zentrums Köln-Merheim und wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters. „Die Daten sind gar nicht so schlecht, sofern das Plasma in den ersten 72 Stunden eingesetzt wird. Da sehe ich einen Stellenwert“, erklärt der Beatmungsmediziner. „Entscheidend ist, dass es so früh wie möglich gegeben wird. Das gilt wahrscheinlich analog auch für die synthetischen Antikörpertherapien.“ Die Leitliniengruppe der DIVI plane in den kommenden Wochen eine abschließende Bewertung des Themas, so Karagiannidis zu DocCheck.
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