Mit großer Sorge um die künftige Qualität der ambulanten Ernährungstherapie und -beratung betrachten wir Diätassistent*Innen, Dipl. Oecotropholog*Innen und Ernährungswissenschaftler*Innen die Tendenz vieler Krankenkassen und in der gesundheitspolitischen Entwicklung, Patienten ambulante Ernährungstherapie in Präsenz mehr und mehr zu verweigern, und stattdessen ausschließlich App-gestützte Online-Beratungen finanziell zu unterstützen – ein Vorgehen, dass aus unserer Sicht die Qualität der Therapie und besonders das Wohl der Patient*Innen gefährdet. Ausdrücklich nicht gemeint sind hier so genannte DiGA`s, Digitale Gesundheitsanwendungen.
https://www.openpetition.de/petition/online/ambulante-ernaehrungstherapie-in-gefahr#petition-main
Warum Ernährungsberatung und -therapie wichtig sind
Derzeit liegen zehn wissenschaftlich erstellte Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM e.V.) mit einer S3-Klassifikation (= höchste wissenschaftliche Qualitätsstufe) vor, die qualifizierte Ernährungstherapie (durch Diätassistent*Innen, Dipl. Oecotropholog*Innen und Ernährungswissenschaftler*Innen) als Teil der ärztlichen Behandlung fordern. Damit unterscheidet sich Ernährungstherapie von Ernährungsberatung, die als präventive Maßnahmen Erkrankungen vermeiden soll.
Einige Beispiele für Indikationen zur Ernährungstherapie:
Die Betroffenen mit ernährungs(mit)bedingten Erkrankungen sehen sich einer enorm großen Informationsflut ausgesetzt und können oft nicht erkennen, was die beste und vor allem individuell für sie geeignete Ernährung wäre. Für sie ist unklar, wer die passende Qualifikation hat, damit ihnen am besten geholfen werden kann. So ergibt sich die Problematik, dass Ernährungstherapie zwar therapeutisch notwendig ist, aber immer häufiger durch Krankenkassen nicht gewährt wird. Das führt zu hohen Folgekosten durch nicht adäquat behandelte Betroffenen und zu deren vermeidbarem großem Leid.
Ernährungstherapie wird von Ärzten meist delegiert an qualifizierte und zertifizierte Ernährungsfachkräfte (Diätassistent*innen, Ökotropholog*innen, Ernährungswissenschaftler*innen), die in der Regel Face-to-Face im ambulanten Setting mit dem Patienten arbeiten. Der persönliche Kontakt ist unverzichtbar, denn Essen ist nicht nur Nahrungsaufnahme entsprechend wissenschaftlicher Erkenntnisse. Es hält bekanntlich „Leib und Seele zusammen“. Es müssen auch anthropometrische Messungen an den Patienten durchgeführt werden, und Hindernisse und psychische Aspekte gut erkannt werden. Die Inhalte müssen immer wieder an die aktuelle Situation angepasst werden, nur mit passgenauen Vorschlägen kann der Patient positive Veränderungen nachhaltig umsetzen. Und das kann eine App alleine definitiv nicht (nachhaltig genug) bieten.
So verhindern die Kassen ambulante Ernährungsberatung – ein aktueller Therapiefall:
Eine Patientin mit einer chronischen und konsumierenden Erkrankung erhielt in der Post-Akutphase (nach einer – unfreiwilligen –Gewichtsabnahme von 8 kg Gesamtkörpergewicht in 10 Tagen) die ärztliche Verordnung für eine ernährungstherapeutische Maßnahme zur Optimierung von Gewicht und Gesundheitszustand. Eine ambulant tätige, qualifizierte und spezialisierte Diätassistentin war schnell gefunden, und ein Antrag an die Krankenkasse zur finanziellen Unterstützung wurde gestellt. Die (finanzielle) Unterstützung von Seiten der Krankenversicherung wurde abgelehnt und die verordnete Therapiemaßnahme als Prävention eingestuft. Die Patientin sollte demnach keine therapeutische Maßnahme mehr erhalten, sondern eine so genannte Präventionsleistung mit dem Ziel, einer künftigen Fehl- und Mangelernährung vorzubeugen. Die ärztlich angeordnete Therapiemaßnahme wurde damit eigenmächtig von der Kasse geändert. Alternativ bot die Krankenversicherung der schwer kranken Patientin Unterstützung über eine App-gesteuerte Ernährungsberatung an, ohne Berücksichtigung ihrer komplexen persönlichen und technischen Gegebenheiten und Fähigkeiten.
So dürfen Patienten nicht abgespeist werden!
Bitte unterstützen Sie die Petition:
Wir fordern die Verantwortlichen und Entscheider in der Gesundheitspolitik und bei den Krankenkassen dazu auf, eine qualifizierte Versorgung von Patient*Innen in der Ernährungstherapie zu garantieren, in der Betroffenen mit ärztlicher Anordnung/Verordnung auch künftig die selbstbestimmte, freie Wahl zwischen ambulanter Präsenz-Behandlung, digitalen Angeboten und der dafür qualifizierten Diätassistent*In, Dipl. Oecotropholog*In und Ernährungswissenschaftler*In möglich ist.
Freundliche Grüße – im Namen vieler Diätassistent*Innen, Dipl. Oecotropholog*Innen und Ernährungswissenschaftler*Innen
Birgit Blumenschein, Barbara Dirnfeldner, Susanne Hagedorn, Steffanie Metty, Katharina Niemann, Anja Schneider