Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sieht beim Thema Medikationsmanagement derzeit vor allem Ärzte in der Pflicht, aber kaum Apotheker. Pharmazeuten laufen Sturm – und erhalten politische Rückendeckung. Selbst in der Union regt sich Widerstand.
Die Bombe ist geplatzt: Nachdem bekannt wurde, dass Hermann Gröhes Haus Apotheker beim E-Health-Gesetz kaum berücksichtigt, reißt der Protest nicht ab. Konkret sollen Apotheker weder Zugriff auf alle erforderlichen Daten bekommen noch großartige Leistungen zum Medikationsmanagement erbringen – von fehlenden Honoraren ganz zu schweigen.
Möglicherweise hängt Gröhes Entscheidung, Pharmazeuten nicht stärker zu involvieren, auch mit der umstrittenen Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN) zusammen: ein Prestigeprojekt der Apothekerschaft. Zu Projektbeginn zeigten Ärzte wenig Interesse; die Einschreibungsphase verlief dementsprechend zäh. Erste Tests des Medikationsmanagements laufen seit Frühjahr, jedoch ohne EDV-Unterstützung. Jetzt drohen weitere Verzögerungen. Mitte des Jahres soll der Medi-Server im KV-Safenet produktiv laufen. Frühestens ab Herbst werden Hardware und Software verfügbar sein, um Prozesse digital abzubilden. Dann folgen Computerprogramme für Heilberufler. Während Hersteller von Apothekensoftware längst aufgerüstet haben, hinken Brancheninformationen zufolge IT-Häuser für Arztpraxen noch hinterher. Erst dann machen Tests zum Medikationsmanagement technisch Sinn.
Für das E-Health-Gesetz bleiben jetzt nur noch politische Interventionen. Mittlerweile hat die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände eine aus ihrer Sicht korrigierte Fassung veröffentlicht. „Zahlreiche Studien haben belegt, dass zwischen den Informationen zu den angewendeten Arzneimitteltherapien aus Arztpraxen, Apotheken und durch Patienten selbst erhebliche Differenzen bestehen“, heißt es im Dokument. „Keine der Datenquellen ist ausreichend zuverlässig, um alleine zur Erstellung eines Medikationsplans verwendet werden zu können.“ Standesvertreter schlagen vor, unter anderem den Paragraphen 31a SGB V folgendermaßen umzuschreiben: Zu Beginn wird nach dem Passus „(...) durch einen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt“ eingefügt: „oder die vom Versicherten gewählte Apotheke.“ Heilberufler beider Berufsgruppen wären dann verpflichtet, für die Aktualität aller Daten zu sorgen. Neben der Bundesärztekammer nennen ABDA-Experten die Bundesapothekerkammer als entscheidendes Gremium, etwa bei Fragen zur Zusammenarbeit oder bei Qualitätsanforderungen. Bleibt noch ein entscheidender Aspekt: Im Gesetzesentwurf fehlen Hinweise auf Medikationsanalysen, ohne die Medikationspläne wenig Sinn machen. Ein Vorschlag in Richtung Berlin: „Die Inhalte und die Fragen der Vergütung für die umfassende Erfassung und Dokumentation der Arzneimittel sowie die Erstellung der Analyse sind in einer gesonderten Vereinbarung zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker auf Bundesebene und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bis zum 30. April 2016 zu vereinbaren.“ Ganz unrealistisch sind entsprechende Forderungen nicht.
Jens Spahn, gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ist von der Notwendigkeit eines E-Health-Gesetzes generell überzeugt. Der Christdemokrat fordert dennoch Nachbesserungen. Medikationspläne in ausgedruckter Form hält er für nicht zeitgemäß, verweist aber gleichzeitig auf fehlende IT-Infrastrukturen – ein zentraler Punkt in Gröhes Entwurf. Trotzdem will Spahn, falls möglich, mit digitalen Lösungen an den Start gehen. Inhaltlich sollten Apotheker stärker beteiligt werden. Beim Honorar bleibt der Gesundheitspolitiker aber recht unverbindlich. Ärzte hätten primär den höheren Aufwand; bei Apothekern gebe es das Argument, dass ihre Beratung sogar erleichtert werde. Ein Silberstreif am Horizont: Spahns Erfahrung nach verlässt kein Gesetz ohne Änderungen den Bundestag – die Chance, nachzubessern. Mit seinen Ansichten ist der Christdemokrat keineswegs allein auf weiter Flur. Niedersachsens Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD) hält Medikationspläne für wichtig, um die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen. Deshalb stellt sie sich hinter Forderungen der Apothekerschaft. Rundt will sich in der Gesundheitsministerkonferenz der Länder für Änderungen stark machen. Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsens, zufolge könne ein Medikationsplan ohne pharmazeutische Expertise nur schief gehen. Hausärzte wüssten weder, welche Präparate andere Fachärzte verordneten, noch, welche OTCs Patienten einnähmen. Beim Niedersächsischen Apothekertag berichtete Linz, Nordrhein-Westfalen plane einen Änderungsantrag zum E-Health-Gesetz – auf Basis des ABDA-Papiers. Delegierte der Apothekerkammer Berlin sprachen sich ebenfalls dafür aus, dass Patienten wählen können, ob ihr Apotheker oder ihr Arzt einen Medikationsplan ausstellt. Der Druck, Änderungen in das laufende Gesetzgebungsverfahren einzubringen, wird immer größer.