Wirken die Impfstoffe auch gegen die neuen Virus-Varianten? Zwei Studien geben darüber Aufschluss. Es sind gute und schlechte Neuigkeiten.
Die neue B.1.1.7-Linie aus Großbritannien weist erstaunlich viele verschiedene Mutationen im Genom auf – insbesondere im Spike-Protein, dem Angriffspunkt für Antikörper. Deswegen befürchteten einige Forscher zunächst, dass die entwickelten Impfstoffe keine wirksame Immunantwort gegenüber der neuen Variante hervorrufen könnten.
Erste Entwarnung gab eine Studie diesbezüglich bereits Anfang Januar: Das Immunsystem von Menschen, die mit Biontechs BNT162b2-Impfstoff geimpft wurden, ist dazu in der Lage, ein von Forschern entwickeltes Pseudovirus mit einer der relevanten Punktmutationen im Spike-Protein (N501Y) zu neutralisieren. Diese Mutation soll für eine gesteigerte Infektiosität des Virus verantwortlich sein.
Jetzt zeigen Muik et al. in einer aktuellen Untersuchung, dass selbst Pseudoviren mit mehr als nur einer Spike-Mutation vom Immunsystem geimpfter Menschen erkannt werden. Im Labor kreierten sie dazu ein Virus mit dem Spike-Protein der B.1.1.7-Linie, also inklusive aller Mutationen im Spike-Protein. Anschließend untersuchten sie, ob die Antikörper in Blutseren von 16 geimpften Probanden das Pseudovirus und die ursprüngliche Virus-Linie erkennen und neutralisieren können. Laut den Autoren gab es bei der Neutralisation keinen Unterschied zwischen ursprünglicher Linie und dem Pseudovirus. Sie schließen daraus, dass der BNT162b2-vermittelte Immunschutz vermutlich auch bei der neuen B.1.1.7-Linie wirksam ist.
Wang et al. haben indes keine guten Neuigkeiten über die Wirksamkeit der Impfung bei anderen Varianten zu berichten. Sie untersuchten die Immunantworten auf verschiedene Pseudoviren von 20 Probanden, die entweder den Moderna (mRNA-1273)- oder den Biontech (BNT162b2)-Impfstoff erhalten haben. Eine relevante Mutation war dabei unter anderem die E484K-Mutation. Das ist eine der Hauptmutationen der „südafrikanischen“ Virusvariante. Auch hier gab es schon erste Laboruntersuchungen, die etwas größere Probleme beim Impfstoff erwarten ließen.
Das scheint sich jetzt zu bestätigen. In der neuen Analyse stellte sich heraus, dass ein Großteil der getesteten Antikörper weniger wirksam gegen Pseudoviren ist, die die E484K-Mutation tragen. Auch die Mutationen K417N, N501Y sowie die Kombination K417N:E484K:N501Y resultierten in einer geringeren Immunaktivität. Möglicherweise müssen die Corona-Impfstoffe in Zukunft an die neuen Varianten angepasst werden, so die Autoren.
Die E484K-Mutation findet nicht nur in der Virus-Variante aus Südafrika, sondern auch in der P1-Variante aus Brasilien. Sie steht in Verdacht, eine Immunevasion des Virus zu ermöglichen, und in den zwei Ländern scheint mittlerweile einiges dafür zu sprechen: Wie die südafrikanische Gesundheitsbehörde NICD erklärt, könne eine Erstinfektion mit der ursprünglichen Viruslinie nicht sicher vor Reinfektion mit der neuen Varianten schützen.
Auch in Brasilien waren bereits Reinfektionen mit zwei neuen Varianten bekannt geworden. Besorgniserregend erscheint in dem Zusammenhang der Zustand in der brasilianischen Stadt Manaus. Dort schnellen derzeit die Infektions-, Hospitalisierungs- und Todeszahlen in die Höhe, obwohl Screenings im Herbst zeigten, dass etwa 75 Prozent der Bevölkerung bereits infiziert war. Mittlerweile wird die Zuverlässigkeit dieser hohen Durchseuchungsrate aber von vielen Experten angezweifelt. Ob an dem neuerlichen Manaus-Ausbruch tatsächlich die mutierten Viren schuld sind, müssen weitere Untersuchungen erst noch abschließend zeigen.
„Dass das Reinfektionsrisiko durch solche neuen Virusvarianten steigt, halte ich für wahrscheinlich“, erklärt Prof. Friedemann Weber, Direktor des Instituts für Virologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. „Ich erwarte aber keine sprunghaften Änderungen, sondern eher einen inkrementellen Anstieg an Reinfektionen und eventuell auch Impfdurchbrüche, denen man mit einer Anpassung des Impfstoffs begegnen kann.“ Um ein klareres Bild der Lage zu bekommen und ‚Immun-Escape‘-Mutationen rechtzeitig zu identifizieren, sollte aus Sicht von Weber deutlich mehr sequenziert werden.
Eine Verordnung von Bundesgesundheitsminister Spahn gibt es dazu bereits: Labore sind künftig dazu verpflichtet (wir berichteten) mindestens fünf Prozent der Positivproben auf Genmutationen zu untersuchen. Ob diese Maßnahme ausreicht, um einen Überblick über die Verbreitung von Virus-Varianten in Deutschland zu bekommen, bleibt abzuwarten.
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