Stretching senkt den Blutdruck effektiver als spazieren gehen. So lautet zumindest das Ergebnis einer kanadischen Studie.
Laut den Ergebnissen einer Studie der kanadischen University of Saskatchewan sind Dehnübungen effektiver als ein schneller Spaziergang, wenn es darum geht, den Blutdruck zu senken. Die Untersuchung bezieht sich auf Menschen mit hohem Blutdruck und solche, die das Risiko aufweisen, einen erhöhten Blutdruck zu entwickeln.
An der Studie nahmen 40 Frauen und Männer teil, die über Zeitungsanzeigen und Aushänge rekrutiert worden waren. Teilnahmebedingung war das Vorliegen eines hochnormalen Blutdrucks (130/85–139/89 mm Hg) oder einer milden Hypertonie Grad I (140/90–159/99 mm Hg), der Definition der kanadischen Guidelines entsprechend. Außerdem mussten die Teilnehmer in der Lage sein, 30 Minuten am Stück zügig zu gehen.
Für die randomisierte, kontrollierte Studie wurden die Probanden in Gruppen zu jeweils vier Personen im Verhältnis eins zu eins randomisiert zu acht Wochen Stretching-Programm oder einem gleich langen Geh-Programm. Die Teilnehmer wussten nicht, welcher Hypothese die Forscher in ihrer Untersuchung nachgingen.
Vor Behandlunsgbeginn wurden verschiedene Parameter wie Größe, Gewicht, Hüftumfang und Blutdruck der Probanden erfasst. Die Probanden wurden außerdem zu körperlicher Aktivität und Ernährungsgewohnheiten befragt und mussten sechs Minuten schnell gehen.
Bei den Übungen gingen die Forscher folgendermaßen vor: Die Teilnehmer in der Stretching-Gruppe machten insgesamt 21 Stretching-Übungen für verschiedenen Körperpartien jeweils zweimal à 30 Sekunden, mit je 15 Sekunden Pause.
Die Gruppe der Spaziergänger musste in jeder Session 30 Minuten gehen, entweder draußen oder auf dem Laufband, wobei in dieser Gruppe die Intensität so gewählt wurde, dass die Belastung bei 50–65 % der angenommenen maximalen Pulsfrequenz, definiert als 220 minus Alter, lag. In beiden Gruppen wurden die Übungen dreimal pro Woche überwacht, zweimal wöchentlich sollten die Teilnehmer sie eigenständig durchführen. Außerdem sollten die Probanden Protokoll über ihre Aktivitäten führen.
Die Studien-Autoren kommen zu dem Schluss, dass das Stretching-Programm positive Effekte auf mäßig erhöhten Blutdruck hatte. Im Vergleich zum Walking schnitten die Dehnübungen beim systolischen und mittleren arteriellen Druck sowohl im Sitzen als auch in Rückenlage und beim nächtlichen Blutdruck besser ab. Konkret sank der systolische Blutdruck am Tag bei Stretching um 4mm Hg und der diastolische um 1 mmHg, während sich in der Gruppe mit Spaziergehen diesebezüglich nichts tat.
Größer waren die Unterschiede nachts: Der nächtliche mittlere arterielle Blutdruck sank adjustiert um 3 mmHg ab, während er in der Walking-Gruppe um 5 mmHg stieg. Das Spazierengehen war dagegen effektiver, wenn es um die Reduktion des Hüftumfangs ging. Dies sei aber zu erwarten gewesen, da beim Spazierengehen mehr Kalorien verbraucht würden, heißt es in der Studie.
„Laut der Studie scheint das Stretching eine interessante Option für die Behandlung von leichtgradiger Hypertonie darzustellen und wirkt durchaus erfolgsvorsprechend“, sagt auch Prof. Hans-Georg Predel von der Deutschen Sporthochschule Köln. Das Gute an diesem Ansatz sei, so findet Predel, dass auch Menschen, die motorisch nicht so begabt sind, diese Übungen unter Anleitung gut umsetzen können.
Die Studienautoren vermuten, dass bei Muskeldehnung gleichzeitig auch Blutgefäße gedehnt werden könnten, was wiederum zu strukturellen Veränderungen in den Blutgefäßen führen und arterielle Gefäßsteifigkeit reduzieren könnte. Dadurch könne das Blut besser fließen, was wiederum den Blutdruck senke.
Auch Predel hält diese Erklärung für möglich: Es könne gut sein, dass die Gefäße durch das Stretching wieder elastischer werden, diese These werde derzeit von verschiedenen Arbeitsgruppen untersucht. „Auch wenn eine genaue molekularbiologische Erklärung noch aussteht, wäre ein gesenkter Blutdruck ja schon mal ein toller Effekt.“ Abgesehen von der Erklärung sei schließlich vor allem entscheidend, dass das Resultat stimme.
Eine Kombination aus Stretching und Bewegung, wie Spazierengehen, sei ideal, um Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen zu reduzieren, geben die Studienautoren an. Auch Predel ergänzt: „Spannend wäre hier ein weiterer Studienarm gewesen, der die Auswirkung von beiden Übungen in Kombination untersucht.“
Einschränkend bliebe zu sagen, dass die Kohorte mit 40 Teilnehmer insgesamt überschaubar groß war. Weitere Untersuchung sind somit notwendig, um diese Ergebnisse zu bestätigen, heißt es auch im Paper. Dennoch können Ärzte ihren Patienten Stretching-Übungen schon jetzt empfehlen, findet Predel, weist aber darauf hin, dass Lebensstilstrategien in der Vermittlung immer etwas schwierig sind. Gerade bei Dehnübungen sei es wichtig, diese auch korrekt auszuführen. „Ideal wäre es, wenn es Fitnesstrainer und Physiotherapeuten gäbe, die ein spezielles Stretching-Programm für Hypertonie-Patienten anbieten und dann mit den hausärztlichen Kollegen in den Praxen zusammenarbeiten würden“. Dieses Training könne durch Video-Anleitung ergänzt werden.
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