Gerade in Corona-Zeiten wird vermehrt über Vitamin D diskutiert: Kann es als Prophylaxe vor akuten Atemwegsinfektionen dienen? In einer größeren Studie kassierte Calciferol mal wieder eine Abfuhr.
Kürzlich ist eine Analyse in The Lancet erschienen, in der Daten des D-Health Trials zur Supplementierung mit Vitamin D untersucht wurden. Ältere Erwachsene aus der australischen Bevölkerung nahmen in dieser Studie monatlich Vitamin D oder Placebo ein. Eine von mehreren Fragen, die die Studie beantworten wollte, lautete: Kann durch das Supplementieren das Risiko für die Dauer und Schwere von Atemwegserkrankungen reduziert werden? Das Follow-up erstreckte sich über einen Zeitraum von fünf Jahren.
Zwischen dem 13. Januar 2014 und 26. Mai 2015 wurden insgesamt 421.207 Einladungen verschickt. Die Anschrift der Studienteilnehmer erfolgte auf Basis des australischen Wählerverzeichnis Commonwealth Electoral Roll, es wurden aber auch einige weitere Freiwillige in die Studie miteingeschlossen. Am Ende nahmen 21.315 Probanden an der Gesamtstudie teil, von denen 15.373 Probanden für die Analyse der Atemwegsinfekte berücksichtigt wurden.
Analysiert wurde die Frequenz der Atemwegsinfektionen primär auf Basis von Fragebögen. Allerdings führte eine Subgruppe der Studienteilnehmer, 2.598 Teilnehmer insgesamt, in den Wintermonaten ein achtwöchiges Infektionstagebuch, um bessere Daten zu generieren. Die Probanden waren Frauen und Männer im Alter von 60 bis 79 Jahren (mit Freiwilligen bis zu 84 Jahren). Zum Einsatz kam eine computergenerierte Blockrandomisierung, die Geschlecht, Alter und Wohnort/Bundesland in Australien berücksichtigte.
Studienteilnehmer beider Gruppen erhielten optisch identische Gelkapseln mit Codes, die für das Studien- und Forscherteam nicht einsehbar waren. Die Dosis in der Vitamin-Gruppe betrug monatlich 60.000 IU Vitamin D.
Des Weiteren wurde in den unterschiedlichen Gruppen bei jeweils einem Teil der Probanden Blutproben entnommen, etwa 450 Personen pro Gruppe pro Jahr. Dies diente der Messung von 25-Hydroxy-Vitamin-D im Serum und erfolgte, um die Adhärenz im Blick zu behalten.
Am Ende zeigte sich in der Auswertung hinsichtlich der Atemwegsinfektionen kein Unterschied zwischen Vitamin D- und Placebo-Gruppen. Die Supplementierung mit Vitamin D führte nicht zur Risikominderung bei akuten Atemwegserkrankungen auf Basis der Survey-Daten (OR 0·98, 95% CI 0·93 to 1·02; Tagebuch-Daten OR 0·98, 0·83 to 1·15). Auch die Tagebuch-Daten waren nicht beeindruckend: In der Vitamin D-Gruppe war die Zeit der Allgemeinsymptome etwas verkürzt. Aber es handelte sich lediglich um eine kleine Differenz, die die Autoren als nicht klinisch signifikant einordnen.
Was die Serumkonzentration des Calcidiols betrifft, wurde bei den randomisiert gesammelten Blutproben im Laufe der Studie ein Mittelwert von 114,8 nmol/L in der Vitamin-Gruppe und 77,5 nmol/L in der Placebo-Gruppe gemessen. Das Vitamin D scheint also durchaus eingenommen worden zu sein. Mangelnde Adhärenz erklärt den fehlenden Unterschied eher nicht.
Auf COVID-19 lassen sich die Ergebnisse nicht direkt übertragen, weil die Studie vorher stattfand. Schon seit längerem erscheinen speziell in Verbindung mit COVID-19 Publikationen, in denen einen Zusammenhang zwischen einem Vitamin-D-Mangel und dem Infektionsrisiko für SARS-CoV-2 bzw. dem Krankheitsverlauf von COVID-19 nahegelegt wird (wir berichteten). Es handelte sich aber um sehr heterogene Daten, deren Aussagekraft von vielen angezweifelt wird.
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