Pankreaskarzinome bleiben lange asymptomatisch und werden oft erst spät entdeckt. Ein neues Verfahren nutzt Albumin. Es könnte Diagnosen und auch die Unterscheidung zwischen gut- und bösartigen Tumoren vereinfachen.
Mit Hilfe eines typischen Proteins im menschlichen Blut lassen sich womöglich schwer zu diagnostizierende Pankreastumore aufspüren. Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), des Alfried-Krupp-Krankenhauses in Essen und der Universität Witten/Herdecke haben hierfür ein neues Verfahren entwickelt. In einer Studie im Fachjournal ACS Pharmacology & Translational Science zeigt das Team, wie sich damit auch zwischen gut- und bösartigen Tumoren unterscheiden lässt.
Pankreaskrebs ist besonders heimtückisch: „Er bleibt lange asymptomatisch, was zu sehr späten Diagnosen und deshalb zu einem geringen Behandlungserfolg führt“, sagt Dr. Marcos Gelos vom Alfried Krupp Krankenhaus und der Universität Witten/Herdecke, der die Studie mit Chemiker Prof. Dariush Hinderberger von der MLU geleitet hat. 9 von 10 Patienten versterben nach der Erstdiagnose innerhalb von fünf Jahren.
Gleichzeitig sei es sehr schwierig, bösartige und gutartige Pankreastumoren zu unterscheiden. Der einzige Laborwert, den man hierzu zurate ziehen könne, sei mangelhaft, da er beispielsweise auch bei einer chronisch entzündeten Bauchspeicheldrüse anschlägt, so Gelos. Selbst bildgebende Verfahren und die Analyse von Gewebeproben würden häufig keine eindeutige Unterscheidung erlauben.
Gelos und Hinderberger suchten deshalb nach einem Biomarker im menschlichen Blut, der als eine Art Frühwarnsystem fungieren könnte. „Wichtig ist dabei, dass das gewünschte Molekül sehr häufig im Körper vorkommt und nicht direkt vom Tumor stammt, weil wir es sonst erst zu spät finden würden“, sagt Hinderberger. Die Wahl fiel auf das Protein Albumin, das in großen Mengen im Blut vorkommt und von dem bekannt ist, dass verschiedene Tumore seine Funktionsweise im Körper auf unterschiedliche Weise verändern können.
Albumin ist unter anderem dafür zuständig, essenzielle Fettsäuren in die Zellen zu transportieren. Da für die Funktionsweise eines Proteins seine räumliche Struktur entscheidend ist, sollten sich bei kranken Menschen kleine Strukturänderungen in dem Protein finden lassen, so die Idee der Forscher.
Mittels der Elektronenspinresonanz-Spektroskopie (EPR) untersuchten die Chemiker der MLU das Blutserum von Menschen mit einem gut- oder bösartigen Pankreastumor und zu Vergleichszwecken auch Proben von gesunden Menschen. Insgesamt wurden so knapp 80 Proben analysiert. Anstelle einer kompletten Strukturanalyse des Proteins untersuchte das Team der MLU dabei die Fähigkeit des Proteins, Fettsäuren an sich zu binden.
Von normalem Albumin ist bekannt, dass es sieben Fettsäuren an exakt definierten Stellen binden kann. „Wir haben im Labor spezielle Fettsäuren mit Sonden ausgestattet, deren Bewegung sich mittels der EPR nachvollziehen lässt. Diese Fettsäuren haben wir dann in unterschiedlicher Konzentration in die Lösung mit dem Albumin gegeben“, so Hinderberger.
Auf diese Weise können die Forscher rekonstruieren, an welchen Stellen wie viele Fettsäuren im Albumin gebunden werden, wie die direkte Umgebung der Bindungsstellen beschaffen ist und die Abstände zwischen den Fettsäuren bestimmen. „So ließ sich ein sehr genaues Bild der räumlichen Struktur und Dynamik des Proteins bei der Arbeit erstellen“, so Hinderberger.
Tatsächlich gab es ab einem bestimmten Mengenverhältnis von Fettsäuren spezifische Unterschiede zwischen den einzelnen Patientengruppen: Die Abstandsmuster und die lokale Umgebung der Fettsäuren waren bei den Patienten mit Krebs etwas anders als bei denen mit einem gutartigen Tumor und auch als bei den gesunden Patienten. „Die strukturellen Veränderungen waren zwar extrem klein. Die Unterschiede sind aber trotzdem ausreichend, um die Proben voneinander zu unterscheiden, ob es sich beispielsweise um einen bösartigen oder einen gutartigen Tumor handelt,“ fasst Hinderberger zusammen. Der genaue Mechanismus, wie der Tumor die Struktur von Albumin verändert, ist noch nicht bekannt.
Bis zu einem möglichen Einsatz in der Klinik werden noch Jahre oder Jahrzehnte vergehen. Zunächst müsste das Verfahren zum Beispiel mit deutlich mehr Proben evaluiert und weiter verfeinert werden. Für Gelos ist der Ansatz für den klinischen Alltag vielversprechend: „Wenn es mit Hilfe des Verfahrens gelingen würde, gutartige Tumoren von bösartigen Krebserkrankungen zu unterscheiden, wäre schon viel erreicht.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Witten/Herdecke. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Paweł Czerwiński, Unsplash