Medienberichten zufolge wirkt der Impfstoff von AstraZeneca bei Senioren nicht so gut wie gedacht. Ein Missverständnis? Oder ist doch mehr dran?
Nach Informationen, die das Handelsblatt aus Koalitionskreisen haben will, rechnet die Bundesregierung nur mit einer Wirksamkeit des AstraZeneca Impfstoffs von acht Prozent bei über 65-Jährigen. Das hatte die Zeitung am Montagnachmittag veröffentlicht – und damit nicht nur in Deutschland, sondern auf der halben Welt für Aufruhr gesorgt. Woher diese Angaben stammen, war zunächst völlig unklar. Eine Sprecherin von AstraZeneca bezeichnete am späten Montagabend die Medienberichte als falsch und verwies auf die Ergebnisse der klinischen Studien. Darin erzeugte der Impfstoff von AstraZeneca auch bei einer kleinen Gruppe an älteren Menschen eine robuste Immunität (wir berichteten).
Auch die Bundesregierung dementierte am Dienstag, dass sie von einer nur achtprozentigen Wirksamkeit bei Senioren ausgehe. Wie der Deutschlandfunk berichtete, handelt es sich möglicherweise um ein Missverständnis. Auf den ersten Blick scheine es laut Bundesgesundheitsministerium so, dass der Anteil der Probanden mit der Wirksamkeit verwechselt worden sei. Acht Prozent der behandelten Personen in der Studie des Pharmakonzerns seien zwischen 56 und 69 Jahre alt gewesen, vier Prozent über 70 Jahre. Daraus lasse sich aber nicht ableiten, dass die Impfung eine Wirksamkeit von nur acht Prozent bei Älteren habe.
Scheitert es also am richtigen Zahlenlesen? Danach sah es am Dienstag kurzzeitig aus. Doch offenbar ist die Geschichte noch nicht zuende erzählt. Beim Handelsblatt bleibt man in weiten Teilen bei der Darstellung, wie der Berliner Korrespondent Gregor Waschinski am Dienstagabend auf Twitter erklärte.
Inzwischen meldete sich auch der CEO von AstraZeneca zu Wort. In einem ausführlichen Interview mit La Republicca äußert sich Pascal Soriot zu der Acht-Prozent-Diskussion wie folgt: „Was soll ich sagen? Ich habe keine Ahnung, wo diese Zahl herkommt. Das ist falsch.“ In etlichen Ländern sei das Vakzin für Menschen ab 18 Jahren zugelassen worden.
„Das Problem ist, dass es hier in gewisser Weise um eine statistische Debatte geht. Wenn wir eine Studie machen, sagen wir am Ende, das Ergebnis lautet x %. Dann gibt es ein Konfidenzintervall zu diesem Ergebnis. […] Und wenn wir eine niedrige Probandenzahl in der Studie haben hat, dann ist das Konfindenzintervall sehr weit. [...] Und deshalb gibt es Menschen, die sagen: Wir wissen es nicht, wir können nicht sicher sein, weil es nicht genügend Patienten gibt."
Auch das ist keine eindeutige Aussage. Aber es deutet zumindest auf eine mögliche Erklärung für die 8-Prozent-Diskussion hin. Aus der klinischen Studie lässt sich das nicht ableiten, aber die Daten, die bei der EMA eingereicht wurden, könnten die entsprechenden Subgruppeninformationen enthalten. Am Freitag wird die Entscheidung der EMA zur Zulassung des AstraZeneca Impfstoffs erwartet. Vielleicht wissen wir dann mehr.
Auch zu den Lieferschwierigkeiten bei AstraZeneca nimmt Soriot im La Republicca-Interview Stellung: „Natürlich sind wir alle sehr enttäuscht. Wir würden gerne mehr [Impfstoff] produzieren. Ich denke, wir werden europaweit im Laufe des Februars eine vernünftige Menge liefern können, ähnlich der Menge, die andere [Hersteller] monatlich liefern. Aber klar, es ist weniger als erwartet.“
AstraZeneca zieht derzeit viel Kritik auf sich, weil das Unternehmen kürzlich angekündigt hatte, weniger Dosen als geplant an die EU liefern zu können. Als Grund nannte die Firma Probleme in einer Produktionsstätte. Geplant war, dass AstraZeneca unverzüglich mit der Auslieferung des Impfstoffs beginnt, sollte der Impfstoff diesen Freitag die Zulassung in der EU erhalten. Die EU-Kommission und Mitgliedstaaten haben „tiefe Unzufriedenheit“ darüber geäußert.
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