Wie genau findet der Austausch von Stoffen zwischen dem Inneren und Äußeren einer Herzmuskelzelle statt? Der Lösung dieses Rätsels ist ein internationales Team jetzt ein Stück nähergekommen.
Bei jedem Herzschlag werden geladene Teilchen aus der Muskelzelle heraus- und andere hineingepumpt. Wie diese Ionen-Verteilung nur Bruchteile einer Sekunde später – vor dem nächsten Herzschlag – wieder in ihren Ursprungszustand zurückversetzt wird, war bislang ein Rätsel.
Genau das konnten nun Wissenschaftler des Universitäts-Herzzentrums Freiburg Bad Krozingen gemeinsam mit italienischen und US-amerikanischen Kollegen erkunden. Erstmals ist den Forschern auch ein dreidimensionales Bild der Tubuli in verschiedenen Phasen der Herzaktivität gelungen. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin Circulation Research.
„Der von uns neu entdeckte Pumpmechanismus in Herzzellen ist ein Schlüssel, um die enorme Leistungsfähigkeit des Herzens besser zu verstehen. Gleichzeitig verspricht er vollkommen neue Therapieansätze für Herzschwäche und andere Herzkrankheiten“, sagt die Erstautorin der Studie, Dr. Eva Rog-Zielinska, vom Institut für Experimentelle Kardiovaskuläre Medizin.
Die Herzmuskelzellen sind mit einem Netzwerk von feinen Röhren durchzogen, die mit extrazellulärer Flüssigkeit gefüllt sind. Dank dieser Transversal-Tubuli gibt es in den Zellen kaum einen Punkt, der mehr als einen Mikrometer vom Zelläußeren entfernt ist. So kann ein sehr schneller und gleichmäßiger Austausch von Stoffen zwischen Zellinnerem und -äußerem stattfinden, rein durch passive Diffusion.
Vor ein Rätsel stellte die Wissenschaftler bislang, wie der Austausch in den Röhren selbst stattfindet: Für einen passiven Transport mittels Diffusion sind die Röhren zu lang; ein aktiver Mechanismus war bislang nicht bekannt.
Genau diese Lücke hat nun das Freiburger Forschungsteam geschlossen. Sie konnten zeigen, dass die mechanische Aktivität der Herzzellen den Austausch der Röhreninhalte antreibt, indem sie bei jedem Herzschlag rhythmisch zusammengedrückt werden.
Dadurch wird abgestandener Inhalt aus den Röhren herausgedrückt. Bei Entspannung der Zellen wird der Inhalt dann gegen frische extrazelluläre Flüssigkeit ausgetauscht, die zurück in die Röhren gesaugt wird – ähnlich der Luftbewegungen bei der Nutzung einer Ball-Hupe. „Im Grunde genommen ‚belüften‘ die Herzmuskelzellen das Röhrensystem, das sie durchquert. Wir kennen dieses Prinzip seit langem von Insekten und ihrem Atmungssystem über die röhrenförmigen Tracheen“, erklärt Institutsdirektor Prof. Peter Kohl. „Dies ist ein sich selbst regulierender Mechanismus, da bei hoher Herzfrequenz – also hohem Bedarf – auch die Anzahl der ‚Ventilations-Zyklen‘ steigt.“
Dieses nun entdeckte autoregulatorische System wird wahrscheinlich durch krankheitsbedingten Zellumbau negativ beeinflusst. Denn wenn sich die Röhren neu anordnen, spärlicher und größer werden, kann dies die Leistungsfähigkeit des Austauschs gefährlich verringern. Darauf aufbauend könnten neue Therapieansätze entwickelt werden, die genau dieses Prinzip in den Blick nehmen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Universitäts-Herzzentrums Freiburg Bad Krozingen. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Nikolay Zakharov, Unsplash