Die Viruslast eines COVID-Patienten scheint mit der Schwere der Erkrankung zusammen zu hängen. Warum nutzt man die Viruslast dann nicht schon längst als Indikator?
Es erscheint offensichtlich: Je mehr Coronaviren sich im Körper eines COVID-Patienten tummeln, desto schwerer ist der Krankheitsverlauf und desto eher stirbt der Patient. Dutzende Studien (zum Beispiel hier, hier und hier) aus dem letzten Jahr scheinen diese Beobachtung zu bestätigen. Warum nutzt man die Viruslast dann nicht schon längst als Indikator zur Einschätzung des Krankheitsverlaufs?
Die Verwendung von Ct-Werten zur Abschätzung der Viruslast ist allerdings eine heikle Angelegenheit. Auch wenn der PCR-Test als Goldstandard die Virunsmenge in einer Probe sehr sicher quantifizieren kann, beruht der Test auf Abstrichen von Nase oder Rachen – ein Verfahren, das Anwendungsfehlern unterliegt.
„Außerdem haben wir es mit schwer standardisierbaren Abstrichen zu tun“, erklärt Virologe Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie an der Universitätsklinik Essen. „Teilweise wird gar kein Nasen-Rachen-Abstrich vorgenommen, sondern nur die Wangenschleimhaut im Mund oder durch den Mund im Rachen abgestrichen.“ So könne der PCR-Test, wenn überhaupt, nur einen Näherungswert für die Viruslast liefern. Auch die mit verschiedenen Gerätetypen ermittelte Zykluszahlen sind nicht direkt miteinander vergleichbar.
Hinzu kommt, dass der Ct-Wert meist gar nicht vom Labor weitergegeben wird. Der Arzt oder das Gesundheitsamt erhält nur das Ergebnis des Tests, also ob Viren in der Probe nachgewiesen wurden oder nicht.
Bei der RT-PCR wird virale RNA in DNA umgeschrieben und in mehreren Durchläufen vervielfältigt. Der CT-Wert (cycle treshold) beschreibt jene Anzahl an Zyklen, die es benötigt, um Virus-RNA nachzuweisen. Je weniger Virus-RNA in einer Probe vorhanden ist, desto höher ist der CT-Wert, denn es müssen viele Vervielfältigungs-Zyklen durchlaufen werden, bis das Virus sicher nachgewiesen werden kann.
Wie viele Runden eine PCR laufen sollte, ist weltweit umstritten. In der New York Times kritisieren Virologen, dass US-Labors 37 bis 40 Zyklen fahren und somit dann tatsächlich der Schwellenwert erreicht wird. Sie detektieren meist nur genetische Bruchstücke von SARS-CoV-2, die keine infektiösen Eigenschaften mehr haben.
In Deutschland sieht man das so: Bei Patienten mit aktiver Infektion liegen Ct-Werte zwischen 10 und 15. Ct-Werte über 30 deuten auf eine niedrige und Ct-Werte über 35 auf eine sehr niedrige Viruskonzentration in der Probe hin, falls es keine methodischen Fehler gibt.
Liegt die Zahl über 30, handelt es sich per Definition zwar um einen positiven PCR-Test. Allerdings gehen solche Werte laut Einschätzung des Robert-Koch-Instituts Berlin mit einem Verlust der Anzüchtbarkeit in Zellkulturen einher. Das bedeutet: Im Körper von Patienten befinden sich noch virale Gene, aber keine biologisch intakten Viren. Das RKI definiert diesen Wert bei anhaltend positiver PCR nach zehn Tagen als mögliches Entlasskriterium aus der Isolierung.
Kleine oder große Menge an Viren sind nicht immer aussagekräftig. „Es gibt Patienten, die nur eine kleine Viruslast, aber einen schweren Covid-19-Verlauf haben und umgekehrt“, sagt Hans-Dieter Volk, Direktor des Institutes für Medizinische Immunologie an der Charité. So blieben etwa 40 Prozent der Infizierten gesund, obgleich sie eine ähnliche Viruszahl haben wie Menschen, die krank werden.
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