In den USA klettert die Zahl der Infektionen mit Candida auris in die Höhe. Ist die Corona-Pandemie daran schuld?
Social Distancing und Masketragen machen es auch anderen Infektionskrankheiten schwer, sich auszubreiten. So liegen etwa die Grippefallzahlen laut RKI in der Saison 20/21 deutlich unter denen der letzten Saison. Andere Erreger scheinen von der Pandemie aber eher zu profitieren – in einigen Ländern, vor allem in den USA, wird jetzt vermehrt über Infektionen mit dem Superbug Candida auris berichtet.
Für die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC war schon im Jahr 2016 klar: Candida auris hat das Potenzial, zu einer ernsthaften Bedrohung zu werden. Zum einen ist Candida auris resistenter und kann sich schneller Resistenzen aneignen als verwandte Arten. Der andere Punkt ist, dass er sich schnell von Mensch zu Mensch überträgt. Für immunsupprimierte Patienten kann eine Infektion mit dem Pilz besonders gefährlich werden. Er führt zu einer invasiven Candidiasis mit Fungämie und Befall des ZNS sowie innerer Organe. Die Behandlung erweist sich oft als schwierig, da der Erreger gegenüber zahlreichen Antimykotika resistent ist.Candida auris auf Nährmedium. Quelle: CDC
Die Corona-Pandemie scheint die Infektionszahlen mit dem Hefepilz zumindest in einigen Ländern in die Höhe zu treiben. Seit Beginn des Jahres 2020 zählte das CDC in den USA 1.625 Infektionen. In 2018, dem letzten Jahr mit vollständigen Daten, belief sich die Zahl der Infektionen gerade mal auf 323. Wie Infektiologen gegenüber der New York Times berichten, könnte die Dunkelziffer noch viel höher sein. Doch derzeit würde viel weniger darauf getestet.
Prof. Oliver Kurzai. Credit: Hans-Knöll-Institut Warum sich der Pilz gerade jetzt ausbreitet, „darüber kann man nur spekulieren“, meint Prof. Oliver Kurzai, Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie und Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk) in Jena. Er hält es für möglich, dass mit der massiven klinischen Belastung und der Information zu COVID-19 andere Erkrankungen nicht mehr genügend Aufmerksamkeit bekommen haben. „Andererseits haben wir bei schwerkranken COVID-Patienten natürlich Superinfektionen gesehen, darunter auch invasive Pilzinfektionen. Vor allem wurde über Aspergillosen berichtet, aber in einigen Fallserien auch über Candida-Infektionen“, so Kurzai.
Die Kombination mehrerer Faktoren sei „perfekt“ für den Pilz, um sich „festzusetzen“, meint Dr. Tom Chiller, Chef der Abteilung für Pilzinfektionen am CDC. Einerseits gebe es viel mehr Patienten auf Intensivstationen, vorrangig ältere Patienten, unter denen sich der Pilz leicht ausbreiten kann. Hinzu komme der vermehrte Gebrauch an Steroiden, die das Immunsystem schwächen und Superinfektionen begünstigen. Möglicherweise sei die Überwachung anderer Erreger während der Pandemie auch in den Hintergrund gerückt.
Für Deutschland gibt Kurzai jedoch Entwarnung: „Aus meiner Sicht spricht aktuell nichts dafür, dass sich Candida auris auch in Deutschland in relevantem Maße ausbreitet.“ Das NRZMyk detektiere nach wie vor wenige Einzelfälle und keine nosokomialen Übertragungen. Kurzai: „Die diagnostischen Labors in Deutschland sind trotz aller Belastung durch COVID mittlerweile in der weit überwiegenden Zahl sehr gut und sehr schnell in der Lage, Candida auris zuverlässig zu identifizieren – es ist nicht zu erwarten, dass dieser Erreger in großem Maße unbemerkt auftreten kann.“
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