TEIL 3 | Die Fruktose halten viele Ernährungsexperten für potenziell schädlich. Gleiches gilt für Maissirup, der langsam Europa erobert. Was aber ist mit Belegen? Darüber sprechen wir mit zwei Experten.
Seit vielen Jahren wird über die Fruktose lebhaft diskutiert – auch unter Ernährungsforschern, wie Dr. Astrid Tombek und Dr. Stefan Kabisch wissen. Tombek ist Diabetesberaterin und Ökotrophologin von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Kabisch ist als Studienarzt an der Klinik für Endokrinologie, Stoffwechsel- und Ernährungsmedizin der Charité Berlin tätig. Das Diskussionspotenzial ist hier groß, wie er unter anderem auf Ernährungs-Konferenzen beobachtet. „Da sieht man schon gewisse Lagerbildungen.“ Doch woran liegt das genau?
Was die Fruktose so besonders macht: Im Gegensatz zur Glukose findet bei ihr eine weitgehend insulinunabhängige Aufnahme aus dem Blut statt. Der Insulinspiegel steigt hier fast nicht an. Weil Insulin eines der Sättigungshormone ist, gehen viele davon aus, dass beim Verzehr von Fruktose das Sättigungsgefühl schwächer ist und der Süß-Reiz uns dazu antreibt, mehr zu essen. Zu den epidemiologisch beobachteten Risiken in Verbindung mit der Fruktose zählen laut Kabisch Übergewicht, Fettleber, Hypertonie sowie Gicht. In RCTs lassen sich diese Zusammenhänge aber nur schwer reproduzieren.
D-Glukose vs. D-Fruktose, Quelle: Jü, Wikimedia
Viele Ernährungsexperten halten die Fruktose für potenziell schädlich und stützen sich dabei auf Mausstudien. Dort kam Fruktose schlechter weg als die Glukose, weil sie die Leberverfettung anzuheizen scheint. Durch bestimmte Enzyme in der Leber kann Fruktose in Glukose umgewandelt werden. Wenn man zu viel Fruktose aufnimmt, klappt die Umwandlung nicht mehr und Fruktose wird stattdessen zu Fettsäuren verstoffwechselt. Das kann die Anreicherung an Körperfett begünstigen. Eine typische und durchaus richtige Gegenargumentation laute z.B., dass der Nachweis eines tatsächlichen gesundheitlichen Nachteils in Human-RCTs eben nicht so eindeutig gezeigt ist, so Kabisch.
Zelluläre Tierstudien zu metabolischen Mechanismen gibt es viele, sie bringen laut Kabisch aber für den Menschen keine befriedigende Lösung. „Es fängt schon damit an, dass es wenig eindeutige, gut designte Studien zu Ernährungsfragen gibt, selbst zu typischen ernährungsbedingten Erkrankungen. Dabei müsste man sich z.B. einmal ganz nüchtern die Frage stellen: „Wo kommt die Pandemie des Typ-2-Diabetes denn her?“ Zwar helfe die Genetik dabei, dass die Krankheit ausbricht, aber die wesentlichen Faktoren seien der Bewegungs- und Ernährungsmangel des modernen Menschen. „Es gibt zahlreiche klinische Interventionsstudien zur Fruktose, aber sie sind mit durchschnittlich etwa 20 bis 30 Probanden sehr klein. Das ist nicht repräsentativ oder aussagekräftig. Wenn es um die Zulassung eines Medikamentes ginge, sprächen wir schnell einmal von 10.000 Probanden.“
Dabei ließe sich die Fruktose durchaus leicht erforschen, wie der Wissenschaftler erklärt. „Die meisten Studien dazu sind Beobachtungsstudien, also Korrelationsanalysen, oder Tierstudien. Es wäre aber überhaupt kein Problem, die Wirkung von Fruktose beim Menschen mit anderen Zuckern im Rahmen einer verblindeten Studie zu vergleichen. Softdrinks und viele andere Lebensmittel wären zum Beispiel gut dafür geeignet.“ Tatsächlich gibt es bisher kaum solche Untersuchungen. Woran das liegt? „Für Studien dieser Art scheint es zu wenig Anreize und Geld zu geben. Auch die Zucker- und Lebensmittelindustrie dürfte daran wenig Interesse haben.“
Weiter geht es mit einem Trend, der leise und gefährlich begonnen hat und vielen Ernährungsexperten Sorge macht. Es geht um die Isoglukose.
Nur 5 Prozent des Zuckerverbrauchs in der EU durfte Isoglukose ausmachen, dann wurde die Quotenregelung 2017 aufgehoben. In der Produktion deutlich billiger macht die Isoglukose dem Haushaltszucker Konkurrenz. Hier liegt die Gefahr: dass es „durch die Zuckermarktliberalisierung für die Lebensmittelindustrie noch rentabler wird, auf Süßkram, Zuckergetränke und andere ungesunde Lebensmittel zu setzen“, wie die Organisation Foodwatch befürchtet. Das Europaparlament rechnet mit einer verdreifachten Produktion von Isoglukose bis zum Jahr 2025.
Es handelt sich um ein aus Mais- oder Weizenstärke hergestelltes Gemisch aus Glukose und Fruktose, das vorwiegend in den USA bei der Lebensmittelherstellung zum Einsatz kommt. Je nachdem, welcher der beiden Anteile überwiegt, lautet die offizielle Produktbezeichnung für den speziellen Maissirup Glukose-Fruktose-Sirup oder Fruktose-Glukose-Sirup. Häufig wird auch der englische Begriff „High Fructose Corn Syrup“ (HFCS–„fruktosereicher Maissirup“) verwendet.
Der einzige Unterschied zur Saccharose ist, dass die Bausteine Glukose und Fruktose als Monomere vorliegen, während sie bei der Saccharose im Verhältnis 1:1 zu Dimeren gebunden sind. Während der Körper bei der Saccharose also im Zuge der enzymatischen Spaltung noch eine gewisse Verdauungsarbeit leisten muss, wandern bei der Isoglukose die beiden frei verfügbaren Einzelzucker direkt ins Blut. Außerdem ist der Anteil der Fruktose variabel, also entweder niedriger oder höher als jener der Glukose. Bei der Saccharose sind die Anteile immer gleich.
„Fruktosereicher Maissirup geht den selben problematischen Verdauungsweg wie die Fruktose und führt in zu hohen Mengen langfristig zu einer nichtalkoholischen Fettleber“, erklärt Ökotrophologin Dr. Astrid Tombek im Gespräch mit DocCheck. „Die genetische Empfänglichkeit ist bislang allerdings nur unzureichend beschrieben, um behaupten zu können, dass nur Träger von genetischen Risikomarkern einen Typ-2-Diabetes durch Zuckerüberschuss bekommen“, ergänzt Kabisch.
Das war der dritte Teil der Zuckerserie (hier geht es zu Teil 1 und 2). Im vierten Teil geht es um Zuckeraustauschstoffe wie den Birkenzucker sowie die Süßstoffe Aspartam und Stevia.
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