Die Stressachse verläuft vom Gehirn bis zu den Nebennieren und bestimmt die Stressantwort eines Organismus. Mit einer neuen Technologie haben Forscher diese Verbindung jetzt auf Zellebene kartiert.
Juan Pablo Lopez und sein Team nutzte hierfür eine Technik, mit der sie Unterschiede – über alle Zelltypen hinweg – in einem Gewebe identifizieren konnten. Ein Vergleich wäre: Man könnte viele verschiedene Früchte in einer Schüssel Obstsalat erkennen, wenn man sonst nur einen Smoothie herstellen und den ungefähren Geschmack benennen könnte.
Die drei Hauptkomponenten der Stressachse sind der Hypothalamus im Gehirn, die Hypophyse direkt neben dem Gehirn und die Nebennieren in der Nähe der Nieren. Sie geben als letzte Komponente der Achse das Hormon Cortisol über das Blut an den Rest des Körpers ab, was typische Stressreaktionen wie Anspannung, Bluthochdruck oder Zittern in Gang setzt.
Die Forscher vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie (MPI) und dem Weizmann Institute of Science (WIS) in Israel kartierten erstmals die vollständige Stressachse und überprüften die Aktivitäten einzelner Zellen entlang der gesamten Strecke. Sie vermaßen 21.723 Zellen und verglichen die Ergebnisse an zwei Gruppen von Mäusen, einer unbelasteten und einer, die chronischem Stress ausgesetzt war.
Das deutsch-israelische Team stellte fest, dass die Aktivierung von Genen in den Zellen und Geweben sich stark verändert. „Je weiter die Stressbotschaft von einem Organ zum nächsten wandert, desto stärker wird sie. Die deutlichsten Veränderungen fanden wir in den Nebennieren, hier waren 922 Gene unter Stress verändert“, erklärt Lopez.
Die Technik ermöglichte es den Forschern, zum ersten Mal eine Subpopulation von Nebennierenzellen zu identifizieren, die möglicherweise eine entscheidende Rolle bei der Stressreaktion und -anpassung spielt.
Das Team fand außerdem heraus, dass das Gen Abcb1b in Zellen der Nebennieren unter Stresssituationen verstärkt aktiviert wird. Dieses Gen könnte eine Rolle bei der Freisetzung von Cortisol spielen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.
In internationaler Zusammenarbeit konnte das Team zeigen, dass die Zellen in den Nebennieren von Patienten, die an einer starken Überaktivität der Stressachse leiden, ein ähnliches Bild wie die der Mäuse in der Gruppe mit chronischem Stress zeigen. Zudem steht das Gen Abcb1 auch in Verbindung mit depressiven Erkrankungen. Lopez und sein Team konnten nachweisen, dass verschiedene Varianten des Gens eine Rolle dabei spielen, wie die Nebennieren auf Stress reagieren.
Chronischer Stress kann jeden Teil des Körpers beeinträchtigen und ist für zahlreiche Erkrankungen relevant. Die meisten Studien zur Stressantwort konzentrieren sich auf chronische Stressmuster im Gehirn. „Die Ergebnisse dieser Studie liefern nicht nur mögliche neue Behandlungsansätze für verschiedenste Krankheiten, die durch chronischen Stress entstehen, sondern eröffnen auch neue Wege für die zukünftige Forschung“, resümiert Alon Chen, Leiter des gemeinsamen neurobiologischen Labors von MPI und WIS.
Die Studienergebnisse haben wir euch im Text und hier verlinkt. Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Max-Planck-Institut für Psychiatrie.
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