Wann und wie häufig sind Achillessehnenrisse und was passiert genau?
Die Achillessehne ist die kräftigste Sehne unseres Körpers und kann eine Last von rund 1,7 Tonnen aufnehmen, bevor es zum Achillessehnenriss kommt. Die Auftretenswahrscheinlichkeit liegt bei 20-30 pro 100.000 Einwohner. Die betroffenen Patienten/ Sportler sind zwischen 20-80 Jahre alt, wobei die Altersgruppe der 30-45 Jährigen den Großteil der Betroffenen ausmacht. Männer sind 5-10x häufiger betroffen als Frauen; Freizeitsportler deutlich häufiger als Leistungssportler. Nur rund 10% der Betroffenen klagen über Beschwerden schon vor dem Achillessehnenriss.
Dieser tritt meist im Rahmen eines indirekten Traumas auf. Meist kommt es zu einem plötzlichen passiven Anheben des Fußes (Dorsalflexion) mit gleichzeitiger Kontraktion (Anspannung) der Wadenmuskulatur in die entgegengesetzte Richtung. 75% der Achillessehnenrisse passieren in der Zone zwischen 2-6 cm ober halb des Ansatzes am Fersenbein. Die Sehne zerreißt in aller Regel in mehreren Bündeln und es kommt zudem zu einem Abreißen des sogenannten Schollenmuskels (M. soleus, tiefer Wadenmuskel) vom fersenbeinnahen (distalen) Stumpf mit Verlagerung des Muskels nach oben (proximal) durch seinen Eigenzug.
Verschiedene Risikofaktoren für das Auftreten eines Achillessehnenrisses sind bekannt. U.a. zählen hierzu die rheumatoide Arthritis, verschiedene Stoffwechselerkrankungen (Niereninsuffizienz etc.) und die Einnahme und Injektion von Kortikosteroiden sowie die Verwendung bestimmter Anitibiotika (Fluoroquinolone) über eine längere Zeit.
Mögliche sind auch Teilrisse/ Längsrisse der Achillessehne (Partialrupturen, Längsrupturen) sowie chronische (partielle) Achillessehnenrupturen, die zumeist verschleißbedingte (degenerative) Ursachen haben.
Was ist eine Tendinopathie der Achillessehne/ Achillessehnenentzündung und welche Unterschiede gibt es?
Weit verbreitet ist der Begriff der Achillessehnenentzündung, der sich bis vor einigen Jahren auch im medizinischen Sprachgebrauch als Tendinitis der Achillessehne hartnäckig gehalten hat und z.T. auch immer noch Anwendung findet. Tatsächlich handelt es sich aber nicht um eine echte Entzündung, sondern vielmehr um eine Veränderung der Sehnenstruktur (Veränderung des Kollagens, aus dem die Sehne großenteils besteht) infolge von gestörten Reparationsmechanismen, so dass man heute den Begriff der Tendinopathie oder Tendinose der Achillessehne verwenden sollte. Dieser Unterschied hat auch zu einem Umdenken in der Therapie geführt (siehe entsprechendes Kapitel). Bei den Tendinosen unterscheidet man die sogenannte Mid-portion-Tendinosen (Verdickung der Achillessehne meist im mittleren Drittel) von den Insertionstendinosen (Erkrankung der Achillessehne am Fersenbeinansatz). Beiden Tendinosen liegt eine unterschiedliche Pathologie zugrunde, so dass sich die Therapie unterscheidet.
Risiko für die Mid-portion-Tendinosen/ Tendinopathien der Achillessehne sind vor allem Überlastungsreaktionen, Fehlstellungen des Rückfußes, sogenannte metabolische Faktoren (Übergewicht, harnsäurelastige Ernährung, Diabetes mellitus), Einnahme von Kortison und bestimmten Antibiotika (Fluoroquinolone). Es kommt zu einer schmerzhaften Verdickung der Achillessehne, die je nach Genese und Stadium noch reversibel ist. Typisch bei der Mid-portion-Tendinose ist der schmerzhafte Zangengriff, bei dem man mit Daumen und Zeigefinger von seitlich die Achillessehne zusammendrückt.
Bei den Insertionstendinosen stellt vor allem die Anatomie des Fersenbeins mit Vorliegen einer Haglund-Exostose (knöcherner Vorsprung des Fersenbeins an der Achillessehne) das entscheidende Problem dar. Die Haglund-Exostose führt zu einer Enge zwischen Sehne und Knochen, die zur Sehnenschädigung führen kann. Zudem treten an dieser Stelle häufig Verkalkungen der Achillessehne (intratendinöse Verkalkungen) auf, die die Achillessehne reizen.
Welche Diagnostik ist beim Achillessehnenriss und bei einer Tendinose oder anderen Achillessehnenerkrankung erforderlich?
Einen wichtigen Stellenwert bei der Diagnostik einer Achillessehnenerkrankung haben an erster Stelle die Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte) und die klinische Untersuchung. Mit Hilfe der Ultraschalluntersuchung (Sonographie) kann die Struktur der Achillessehne gut und in geübter Hand sicher beurteilt werden. Vorteil dieser Untersuchungsmethode ist die Möglichkeit der Untersuchung in Dynamik/ Bewegung. Das MRT (Kernspintomographie = Magnetresonanztomographie) stellt den Goldstandard insbesondere in der Beurteilung von komplexen Achillessehnenerkrankungen und –verletzungen dar. Vorteile sind die höhere Auflösung, die Mitbeurteilung des Knochens und Möglichkeit der Darstellung in verschiedenen Ebenen. Im Falle eines Achillessehnenrisses kann zudem beurteilt werden, ob die für eine Achillessehnenoperation in unserer Technik häufig zur Stabilisierung verwendete Plantarissehne erhalten/ vorhanden ist. Mindestens bei Insertionstendinosen sollte eine Röntgenaufnahme des Sprunggelenkes seitlich zur Beurteilung des Fersenbeins erfolgen. Andere bildgebende Verfahren stellen eher Ausnahmeindikationen dar.
Wann und wie operiert man einen Achillessehnenriss?
Die Entscheidung, ob man im Rahmen einer Operation eine Achillessehnennaht/ -rekonstruktion vornimmt oder ein konservatives Vorgehen ohne OP wählt, hängt von verschiedenen Faktoren ab:
Beim aktiven und jüngeren Patienten wird sich in aller Regel für ein operatives Vorgehen entschieden, da die Gefahr eines erneuten Achillessehnenrisses und ein Verlust der Vorspannung/ Reduktion der Abstoßkraft reduziert wird. Dem gegenüber stehen die allgemeinen Operationskomplikationen allen voran Wundheilungsstörungen.
Operativ kommen offene (mit einem Hautschnitt über mehrere Zentimeter) und mini-open (mehrere Hautschnitte über nur wenige Zentimeter) oder transkutane (Naht über kleine Schnitte in der Haut) Techniken in Frage. Vorteil der Versorgung einer Achillessehnenruptur mittels kleiner Schnitte ist sicher das reduzierte Risiko einer Wundheilungsstörung. Dem gegenüber erhöht sich aber das Risiko einer Verletzung des auf der Außenseite der Achillessehne verlaufenden Nerven (N. saphenus) und die fehlende Möglichkeit der anatomischen Rekonstruktion, d.h. dem gezielten Vernähen der gerissenen Sehnenenden.
Wir bevorzugen bei uns die offene Operationstechnik. Grund hierfür ist zum einen die deutlich bessere Übersicht und die damit verbundene mögliche anatomische Rekonstruktion (siehe oben). Dabei die vorhandenen Sehnenbündel in einer speziellen Technik ineinander gezogen (Klöppeltechnik nach Segesser/ Weisskopf). Zum anderen kann der fast immer abgerissene und nach kniewärts verlagerte Schollenmuskel (M. soleus) durch eine Naht nach unten an seine alte Position verlagert werden. Da dieser mit fast 30% an der Abstoßkraft beteiligt ist, halten wir dies für einen sehr wichtigen Schritt. Dies ist nur mit einer offenen Operationstechnik möglich. Zusätzlich wird, sofern vorhanden, die innen neben der Achillessehne liegende Plantarissehne (Fußsohlenmuskelsehne) sofern erhalten (bei 25% der Bevölkerung nicht mehr oder nur rudimentär vorhanden) zur Verstärkung benutzt. Diese Technik zeigt sehr gute bis exzellente Ergebnisse hinsichtlich der möglichen Wiederaufnahme des Sportes auf dem Niveau vor der Verletzung.
Wie wird ein Achillessehnenriss ohne Operation bzw. nach einer Operation behandelt?
Die konservative Therapie entspricht in großen Teilen der der Rehabilitation nach operativer Versorgung eines Achillessehnenrisses. Eine Teilbelastung nach einer Achillessehnenoperation ist für nur 2-3 Wochen bis zur sicheren Wundheilung erforderlich. Der Fuß/ Unterschenkel wird in einem speziellen Stiefel in Spitzfußstellung für 6 Wochen ruhiggestellt. In den folgenden 3-4 Wochen wird der Fuß im Sprunggelenk im Stiefel schrittweise in die Neutralstellung gebracht, so dass Patienten mit einem Achillessehnenriss nach 9-10 Wochen wieder im normalen Konfektionsschuh gehen können. Im Anschluss erfolgen das muskuläre Aufbautraining und sowie sehnenkräftigende Übungen (exzentrisches Training etc.). Mit Kraftausdauertraining kann mit anliegendem Stiefel ab der 6.-7. Woche auf dem Fahrradergometer begonnen werden. Vorbereitende Übungen für das Joggen beginnen 12 Wochen nach dem Achillessehnenriss, so dass mit dem Joggen nach ca. 16 Wochen begonnen werden kann. Ziel ist die Rückkehr in die Spielsportarten nach ca. 6 Monaten. Das Durchlaufen der einzelnen Rehabilitationsstufen sollte immer wieder von Ihrem Physiotherapeuten oder betreuenden Arzt kontrolliert werden. Vor dem Einstieg in Spielsportarten sollte wenn möglich eine entsprechende Return-to-Sport-Testung durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass keine wesentlichen funktionellen Defizite mehr bestehen, die einen Risikofaktor für einen erneuten Achillessehnenriss darstellen.
Welche Therapieoptionen bestehen bei einer Tendinose der Achillessehne/ Achillodynie/ Achillessehnenentzündung?
Der Begriff Achillodynie beschreibt lediglich einen schmerzhaften Zustand der Achillessehne und stellt somit keine Diagnose im klassischen Sinne dar. Die Achillessehnenentzündung wird häufig als Synonym für die eigentliche richtige Bezeichnung der Achillessehnentendinose benutzt. Da aber medizinisch keine Entzündung der Sehne selbst vorliegt, sondern allenfalls eine Reizung des Gleitlagers (Peritendineum und somit eine sogenannte Peritendinitis), wird im Folgenden von einer Tendinose der Achillessehne gesprochen werden. Die wichtigste Therapie bei der Behandlung solcher Achillessehnenerkrankungen ist die Beseitigung der ursächlichen Faktoren. Dazu zählen Überlastungen durch zu hohe Belastung, Fußfehlstellungen und Fehlbelastungen durch muskuläre Dysbalancen. Kortisonspritzen sollten unbedingt unterlassen werden, da sie zu nicht rückgängig zu machenden (irreversiblen) Schäden der Achillessehne oder zum Achillessehnenriss führen können. Zur Basistherapie zählt zudem das sogenannte exzentrische Training. Bei diesem muss der Wadenmuskel (M. triceps surae bestehend aus den beiden Köpfen des M. gastrocnemius (Zwillingswadenmuskel) und dem Schollenmuskel (M. soleus)) dynamische Haltearbeit verrichten. Weit verbreitet ist hierfür eine Übung an der Treppenstufe. Dabei sollte mit beiden Beinen in den Zehenspitzenstand eingegangen werden, um sich dann auf einem Bein langsam nach unten sinken zu lassen. Bei der Mid-portion-Tendinose kann dabei die Überstreckung des Sprunggelenkes (Dorsalflexion) erreicht werden (Durchsacken lassen). Bei den Insertionstendionsen sollte in der Neutralstellung des Sprunggelenkes Halt gemacht werden, um einen Druck des Fersenbeinknochens/ Haglund-Exostose in die Achillessehne zu vermeiden. Die Übung sollte mit 3x 15 Wiederholungen für jede Seite (die gesunde Seite wird immer mittrainiert!) 2x täglich für 8-12 Wochen durchgeführt werden. Sollte die Übung einbeinig zu schmerzhaft sein, kann diese auch beidbeinig ausgeführt werden. Initial bei ausgeprägter Schmerzhaftigkeit kann das isometrische Training sinnvoll sein. Hierbei wird die Übung in Neutralstellung statisch durchgeführt (5x 45 Sekunden statische Haltearbeit, 2x täglich). Im weiteren Verlauf kommen dann in Abhängigkeit vom Befund weitere Übungen hinzu.
Sollte eine solche Basistherapie nicht zum ausreichenden Erfolg führen, kann abgewogen werden, ob man zusätzlich mit der Stoßwellentherapie (fokussiert und/ oder radiär) bzw. Injektionstherapien z.B. mit Eigenblut (PRP) oder einer Hyaluronsäure gearbeitet werden kann.
Sollte die konservative Therapie der Tendinose der Achillessehne nicht erfolgreich sein, zeigt die operative Versorgung mit Ausschneiden des erkrankten Sehnengewebes bei der Mid-portion-Tendinose und Entfernung des knöchernen Überstandes des Fersenbeins bei der Insertionstendinose gute bis sehr gute Ergebnisse.