Forscher haben einen neuen Beweis dafür gefunden, dass Blutgefäße Organfunktionen steuern und kontrollieren können. Somit rückt das Gefäßsystem auch in den Fokus der Krankheitsentstehung.
Aktuelle Forschungen aus dem European Center for Angioscience (ECAS) an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg belegen erneut, dass Blutgefäße nicht nur passive Transportfunktionen wahrnehmen, indem sie mit dem Blut die Gewebe des Körpers mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen sowie Abbauprodukte abtransportieren. Vielmehr rückt das Gefäßsystem selbst in den Mittelpunkt der Krankheitsentstehung.
Die Wissenschaftler um Professor Dr. Carmen Ruiz de Almodóvar haben einen neuen Beweis dafür erbracht, dass Blutgefäße auch Organfunktionen steuern und kontrollieren können. In einer aktuellen Arbeit berichten sie von einem „Cross-talk“ zwischen Zellen des Nervensystems und Zellen des Blutgefäßsystems, der dafür sorgt, dass neurale Vorläuferzellen sich zu Oligodendrozyten-Vorläuferzellen spezifizieren.
Das zentrale Nervensystem (ZNS) enthält nicht nur Zellen neuralen Ursprungs wie Neuronen und Gliazellen, die aus neuralen Vorläuferzellen hervorgehen, sich in neuronale Netzwerke integrieren und so ein funktionales Nervensystem aufbauen. Das ZNS ist auch von Blutgefäßen durchzogen. Tatsächlich ist das Gehirn sogar eines der am stärksten mit Gefäßen versorgten Organe in unserem Körper. Während der Entwicklung wachsen Blutgefäße zur selben Zeit, in der sich neurale Vorläuferzellen zu den Zellpopulationen des Gehirns differenzieren.
Oligodendrozyten sind Bestandteile des zentralen Nervensystems. Sie sorgen für die elektrische Leitfähigkeit von Nervenzellen, indem sie eine lipidreiche Biomembran, das Myelin, produzieren, das die Nervenfasern in Form der sogenannten Myelinscheiden umgibt und diese elektrisch isoliert. Oligodendrozyten gehen aus Oligodendrozyten-Vorläuferzellen hervor, die wiederum aus neuralen Vorläuferzellen entstehen.
Ist die Bildung von Oligodendrozyten-Vorläuferzellen und ihre anschließende Reifung zu Myelin-produzierenden Oligodendrozyten gestört, kann dies zu neurologischen Entwicklungsstörungen führen, so wie die Demyelinisierung von Nervenfasern oder eine gestörte Remyelinisierung zu neurologischen Erkrankungen führt, etwa zur Multiplen Sklerose (MS).
In der aktuellen Arbeit erforschten die Wissenschaftler aus Mannheim, wie genau Oligodendrozyten-Vorläuferzellen während der Entwicklung zu solchen spezifiziert werden. Dabei konnten sie zeigen, dass Signale aus dem Gefäßsystem, das in enger Nachbarschaft zu den neuralen Vorläuferzellen wächst, für diese Spezifizierung wesentlich sind.
„Wir konnten beobachten, dass neurale Vorläuferzellen Signale an die die Blutgefäße auskleidenden Endothelzellen senden. Und diese wiederum antworten, indem sie ein Signal zurücksenden, das die Vorläuferzellen anweist, sich in Richtung der Oligodendrozyten-Linie zu spezifizieren“, sagt Ruiz de Almodóvar.
Die Wissenschaftler konnten mit dieser Arbeit eine echte bidirektionale Zusammenarbeit zwischen dem Nervensystem und dem Gefäßsystem nachweisen, die als kritischer Regulator der Entwicklung der so wichtigen Oligodendrozyten fungiert.
Die Studie haben wir euch hier verlinkt.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universitätsmedizin Mannheim.
Bildquelle: Frank Albrecht, unsplash