Alle Augen sind auf das Spikeprotein gerichtet, wenn es um SARS-CoV-2, Schnelltests und die Wirkung von Impfstoffen geht. Welche Rolle aber spielt das N-Protein? Wir sprachen mit zwei Experten.
In Zusammenhang mit SARS-CoV-2 reden wir häufig von Mutationen im Spikeprotein und inwiefern sie Einfluss auf die Aussagekraft von Schnelltests oder die Schutzwirkung von Impfstoffen haben. Doch auch im N-Protein gibt es Mutationen. Welche Rolle spielt dieses Protein also? Darüber haben wir mit zwei Virologen gesprochen.
Nukleoproteine sind Proteine, die strukturell mit Nukleinsäuren assoziiert sind, d.h. sie bestehen aus einer Proteinkomponente und RNA oder DNA. Das RNA-Genom wird in Form eines Ribonukleokapsids vom N-Protein verpackt, wie Prof. Dr. Daniel Sauter erklärt. Er ist am Institut für Medizinische Virologie und Epidemiologie der Viruskrankheiten des Universitätsklinikums Tübingen tätig. „Das N-Protein befindet sich im Inneren des Viruspartikels, ist mit dem viralen Genom assoziiert und im Rahmen von Vermehrungsabläufen des Virus in der Zelle notwendig“, ergänzt Prof. Dr. Thomas Schulz, Leiter des MHH-Instituts für Virologie in Hannover.
Maya Peters Kostman for IGI
Derzeit sorgt man sich vor allem um Mutationen im Spike-Protein. Doch können auch Mutationen im N-Protein funktionelle Auswirkungen in Hinsicht auf Übertragbarkeit oder Virusreplikation haben? „Prinzipiell ja“, sagt Schulz. Allerdings sei hierüber noch deutlich weniger bekannt als zu den Spikeproteinen.
„Das N-Protein interagiert direkt mit dem viralen Replikations-/Transkriptions-Komplex. Es ist daher durchaus denkbar, dass auch Mutationen im N-Protein die Virus-Replikation und damit möglicherweise die Transmission und/oder Pathogenität von SARS-CoV-2 beeinflussen“, erläutert Sauter. „Interessant ist beispielsweise das regelmäßige Auftreten von Mutationen, die zu einem Verlust von Phosphorylierungsstellen im N-Protein führen (PMID: 33357233).“ Richtige Hinweise auf eine klinische Bedeutung gebe es hingegen noch keine: „Im Gegensatz zu Mutationen im Spike-Protein wurde bisher allerdings kein kausaler Zusammenhang zwischen Mutationen im Nukleokapsid-Protein und erhöhter Übertragbarkeit oder Pathogenität von SARS-CoV-2 beschrieben“, fasst Sauter zusammen.
Wie sieht es mit möglichen Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Impfungen aus? Hier sehen beide Experten kein Risiko: „Die vom Impfstoff induzierte Immunantwort wirkt nur gegen das S-Protein“, wie Schulz erklärt. „Da aktuelle Impfstrategien gegen das virale Spike-Protein gerichtet sind, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die Wirksamkeit von Impfungen durch Mutationen im N-Protein beeinflusst werden“, führt Sauter aus.
Anders könnte es beim Thema Antigen-Schnelltests aussehen. Schulz hält es prinzipiell für möglich, dass das N-Protein hier eine Rolle spielen könnte: „Theoretisch würden wenige Veränderungen in Aminosäuren des N Proteins genügen, die von dem in einem Antigentest verwandten Antikörper erkannt werden.“
Auch Sauter äußert ähnliche Überlegungen: „Die meisten antigen-basierten Tests sind gegen den strukturierten C-Terminus des Nukleokapsid-Proteins gerichtet. Mutationen in diesem Bereich können prinzipiell die Sensitivität der entsprechenden Schnelltests beeinflussen.“ Eine pauschale Aussage zur Anzahl der notwendigen Mutationen könne dem Virologen zufolge hier jedoch nicht getroffen werden. „Bisher aufgetretene Mutationen betreffen vor allem die sogenannte intrinsically disordered region (IDR), die den N- und C-Terminus des N-Proteins miteinander verbindet. Das Risiko von Escape-Varianten könnte durch den Einsatz von poly- an Stelle von monoklonalen Antikörpern im Schnelltest verringert werden“, ergänzt der Forscher.
Unter der Annahme, dass Antigenschnelltest immer mehr Anwendung finden und weniger PCR-Tests durchgeführt werden, stellt sich noch eine interessante Frage: Könnte es vorkommen, dass N-Protein-Escape-Mutanten selektioniert werden, wenn ein Schnelltest diese nicht mehr erkennt und die Variante sich so unbemerkt verbreiten kann?
Ähnlich sieht es Schulz: „Die Grundlage der Diagnostik ist immer noch der Nachweis des Virus mittels PCR. Antigenschnellteste erkennen bei weitem nicht alle Infektionen, vor allem bei asymptomatischen infizierten Personen sind sie schlecht.“ Diese Form von Test könne eigentlich nur dazu dienen, Personen zu identifizieren, die viel Virus ausscheiden und deshalb infektiös sind, nicht zur Diagnostik einer SARS-CoV-2 Infektion im klinischen Sinn.
„Wenn also weiterhin die ‚richtige‘ Diagnostik mit einem PCR Test durchgeführt wird, ist die Chance gering, dass sich eine Virusmutante ausbreiten würde, weil Schnellteste versagt hätten“, sagt Schulz. In diesem Zusammenhang gibt er aber auch folgenden Punkt zu bedenken: „Man sollte bei der jetzt angeordneten stichprobenhaften Sequenzierung von virushaltigen Proben dann allerdings darauf achten, ob Mutationen im N-Protein auftreten, die vielleicht ein Versagen von Schnelltests zur Folge haben könnten.“
Eine Selektion des Virus durch Antikörper gegen das N-Protein schließt er aus: „Dazu kann es darüber hinaus nicht kommen, da das N-Protein im intakten, vermehrungsfähigen Virus durch Antikörper nicht erkannt wird – das N Protein findet sich im Inneren des Virus und wird erst zugänglich, wenn Viruspartikel aufgebrochen werden.“
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