In Schweizer Apotheken darf gegen COVID-19 geimpft werden. Wäre das auch was für Deutschland? Ich denke, das ist jetzt weder sinnvoll noch praktikabel. Warum, erkläre ich hier.
Praktisch alle Länder stehen vor der Mammutaufgabe, ihre Bevölkerung zu mindestens 60–70 % durchzuimpfen, so dass sich eine Herdenimmunität einstellt. Wie die Herangehensweise konkret aussieht, unterscheidet sich je nach Staat. In Irland und der Schweiz werden beispielsweise die Apotheken bei der Impfung mit eingebunden. Wäre das auch für Deutschland eine gute Idee?
Wie in Deutschland auch sind die großen Impfzentren in der Schweiz nicht für alle Menschen gleichsam gut erreichbar. Der Schweizer Apothekerverband Pharmasuisse brachte daher schon vor Wochen die Apotheken ins Spiel, landesweit gibt es 1.000 Apotheken mit insgesamt 2.500 für das Impfen ausgebildeten und zum Impfen berechtigten Apothekern. Viel früher als in Deutschland war es der Bevölkerung dort beispielsweise auch möglich, sich in den Apotheken auf eine vorliegende Infektion mittels Schnelltest testen zu lassen.
In der Schweiz dürfen Apotheker nun gegen COVID-19 impfen – unter bestimmten Bedingungen natürlich. Durch die Änderung der Epidemienverordnung der Schweiz am 27.01.2021 wurde bestimmt, dass Apotheker, die über einen Fähigkeitsausweis nach dem „Fähigkeitsprogramm FPH Impfen und Blutentnahme“ und eine kantonale Beauftragung zur Durchführung von Impfungen gegen COVID-19 verfügen, sowie die kantonalen Bedingungen hinsichtlich Verwendung der vorgegebenen Software für die Terminvergabe, der Datenerfassung , Dokumentation und das Reporting für das Impfmonitoring erfüllen, impfen dürfen. Die Kosten der COVID-Impfung werden vom Bund für alle Personen übernommen, die über eine obligatorische Krankenpflegeversicherung verfügen und einer Zielgruppe gemäß der COVID-19-Impfstrategie der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF) und des Bundesamts für Gesundheit angehören.
Theoretisch stünden den Impfungen jetzt nichts mehr im Weg. Doch in der Praxis sieht es anders aus. Zunächst einmal geht es um das Handling des Impfstoffes selbst – hier kommen sicherlich für Apotheken vor Ort nur die Impfstoffe von Moderna und AstraZeneca in Frage. Kühlschränke mit -80°C, die für den Impfstoff von BionTech/Pfizer benötigt werden, sind für Apotheken unüblich. Dann geht es um die Beschaffung und die Vergütung. Zunächst soll der Bund die Impfdosen beschaffen und sie dann über die kantonalen Behörden an die Impfapotheken verteilen.
Bei der Vergütung scheiden sich bereits die Geister, geplant ist eine Pauschale von CHF 14.50 (entspricht 13,42€) für die Beratung und die Dienstleistung der Impfung vor Ort. Die „Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren“ ordnet das als nicht kostendeckend ein. In einer Stellungnahme dazu heißt es wörtlich:
„Mehrere Kantone halten fest, dass die vorgeschlagene Abgeltung von CHF 14.50 kaum kostendeckend sein dürfte und sich dies als hohe Hürde für den Einbezug von Apotheken in die kantonale Impforganisation erweisen könnte. Es gelte zu berücksichtigen, dass die in einer Apotheke vorhandene lnfrastruktur bzw. die Abwicklung des lmpfprozesses nicht mit den effizienten Prozessen in lmpfzentren verglichen werden könne. Weiter sei auch die Überwachung von verimpften Personen notwendig, was ebenfalls in der Abgeltung berücksichtigt werden sollte.“
Höhere Impf-Prio für Apotheker gefordert
Die Apotheker bedauern außerdem, dass sie in der Impfreihenfolge ziemlich weit unten stehen, obwohl sie stark in die Bekämpfung der Pandemie eingebunden sind. Eine von mir befragte Apothekerin wünscht sich für ihre Schweizer Kollegen dieselbe Priorität wie die der Ärzte.
Der Ablauf der Impfung selbst dürfte den Apothekern hinlänglich bekannt sein, denn gegen Grippe und andere Infektionskrankheiten wird schon einige Jahre lang erfolgreich in den Apotheken vor Ort geimpft. Die Räumlichkeiten sind vorhanden, das Prozedere nicht neu, lediglich der Patientenvorbereitungsbogen wird etwas angepasst werden müssen.
Zurück nach Deutschland. Auch hier gäbe es einige Apotheken, die das nötige Know-how und die benötigten Räumlichkeiten mitbringen würden. Für eine Grippeschutzimpfung gibt es bereits Modellprojekte, die allerdings von Seiten der Ärzteschaft häufig mit Argwohn betrachtet werden. Die ABDA hat hier Leitlinien veröffentlicht, die ähnlich auch für eine COVID-19 Impfung umgesetzt werden könnten. Nur Apotheker mit entsprechender Qualifikation dürfen Grippeschutzimpfungen in öffentlichen Apotheken vornehmen. Diese wird durch die erfolgreiche Teilnahme an einer Schulung durch Ärzte erworben.
Für die Patienten gilt: Sie dürfen nur dann in einer Apotheke geimpft werden, wenn sie mindestens 18 Jahre alt sind, keine allergischen Reaktionen, hohes Fieber oder andere ungewöhnliche Reaktionen nach einer früheren Impfung gezeigt haben, keinen geplanten operativen Eingriff innerhalb der nächsten 3 Tage haben, nicht schwanger sind und nicht unter Therapie mit Arzneimitteln, die die Blutgerinnung beeinflussen, stehen.
Wäre es also sinnvoll auch in Deutschland die Apotheker impfen zu lassen wie in der Schweiz? Ich denke, dass das zum jetzigen Zeitpunkt weder sinnvoll noch praktikabel ist. Nur die Apotheken, die schon für das Grippeschutzimpfungs-Modell bereitstehen, haben alle Voraussetzungen bereits umgesetzt, die es zum Impfen der Bevölkerung benötigt. Jetzt im Eiltempo in ganz Deutschland passende Räumlichkeiten in Apotheken zu schaffen, ein entsprechendes Hygienekonzept zu etablieren und Personalschulungen durchzuführen, ist nur schwierig umsetzbar. Dafür hätten wir hierzulande viel früher damit beginnen müssen, Apotheker zu schulen, und sie wie z.B. wie in der Schweiz, bereits im Studium auf eine Impftätigkeit vorbereiten sollen.
Zudem mangelt es aktuell schlichtweg an der Menge des Impfstoffs selbst. Bundesgesundheitsminister Spahn hat eine Coronaimpfung in der Apotheke vor Ort zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen, nachdem die Grünen angeregt hatten, dies mittelfristig umzusetzen. Die Verimpfung eines neuen Impfstoffs sollte seiner Meinung nach ausschließlich unter ärztlicher Aufsicht ablaufen.
Sinnvoller wäre es, sobald genügend Impfstoff vorhanden ist, die bisherigen Testzentren zu Impfzentren umzufunktionieren, wie der Apotheker und Testzentrumsbetreiber Björn Schittenhelm es in einem Artikel auf DocCheck kürzlich angeregt hatte. Das ginge sicherlich schneller und wäre effektiver.
Als Ausblick auf die kommenden Jahre denke ich, wir können vom Schweizer Modell nur lernen. Denn hier hat die Bevölkerung nun deutlich mehr Möglichkeiten eines der niedrigschwelligen Angebote einer Impfung in der Apotheke anzunehmen. Wenn die Modellprojekte zur Grippeimpfung erfolgreich sind – was ich annehme – dann wäre ein solches Vorgehen auch in Deutschland wünschenswert.
Bildquelle: Jeong Ho Choi, unsplash