Wie lassen sich schwerwiegende Nebenwirkungen vermeiden? Ein Forschungsprojekt des BfArM will jetzt einen Algorithmus entwickeln, der anhand von Patientendaten Risikokonstellationen erkennen kann.
Einer Studie zufolge sind in Deutschland 6,5 Prozent aller Behandlungen in Notaufnahmen von Krankenhäusern vermutlich auf Nebenwirkungen zurückzuführen. Wie lassen sich diese Nebenwirkungen verlässlicher erkennen? Ein Forschungsprojekt am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geht dieser Frage mit Hilfe von Algorithmen nach.
Gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) wollen die Wissenschaftler einen bestehenden Algorithmus dahingehend weiterentwickeln, dass über ein Monitoring von Versichertendaten solche schwerwiegenden Nebenwirkungen erkannt werden können. Zudem sollen die Algorithmen dabei helfen, Risikokonstellationen und gefährdete Patientengruppen aus den Daten zu erkennen.
Bereits in früheren Forschungsansätzen wurde das Potenzial eines solchen Algorithmus untersucht. Er sollte es ermöglichen, Nebenwirkungen auf Grundlage aggregierter, klinischer Krankenhausroutinedaten zu entdecken – ein Ansatz, der noch bestimmten methodischen Einschränkungen unterliegt. Das Projekt mit dem Kurznamen WOLGA widmet sich daher der Weiterentwicklung und Optimierung dieses Algorithmus.
„Mit dem Projekt arbeiten wir daran, gesundheitsbezogene Daten systematisch zu analysieren, um Rückschlüsse auf mögliche Arzneimittelrisiken ziehen zu können“, erläutert Prof. Bernhardt Sachs, Leiter des Projekts. „Konkret wollen wir die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um die Patientensicherheit zu erhöhen.“
Die in dem Projekt analysierten Daten stammen aus zwei Datenbanken. Zum einen bildet die pharmakoepidemiologische Forschungsdatenbank GePaRD des BIPS eine wertvolle Datenbasis. Sie enthält pseudonymisierte Abrechnungsdaten von vier deutschen Krankenkassen und umfasst Informationen von rund 25 Millionen Personen.
Zum anderen nutzt das Projekt auch die Daten aus Spontanberichten zur Meldung von Nebenwirkungen. Spontanberichte sind Verdachtsfälle von Nebenwirkungen, die durch Ärzte, Apotheker, Patienten oder andere Quellen bei breiter, alltäglicher Anwendung eines Arzneimittels spontan gemeldet werden. Diese Spontanberichte werden an die Europäische Arzneimittel-Agentur weitergeleitet und in der europäischen Datenbank EudraVigilance gespeichert. Durch die Analyse von Spontanberichten können unter anderem bisher unbekannte sowie seltene Nebenwirkungen, welche unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. Komorbiditäten) oder bei besonders vulnerablen Populationen (z. B. Kinder, Schwangere, ältere Personen) auftreten, erkannt werden.
„GePaRD ist eine der weltweit größten Datenbanken für die Erforschung der Sicherheit von Arzneimitteln nach deren Zulassung“, sagt Prof. Ulrike Haug, Leiterin der Abteilung Klinische Epidemiologie am BIPS. „Perspektivisch könnten so Algorithmen entstehen, die zum Monitoring des Auftretens schwerwiegender Nebenwirkungen und für Strategien zu deren Prävention genutzt werden können.“
Zunächst soll der bereits bestehende Algorithmus in der GePaRD-Datenbank angewendet werden, um dort nebenwirkungsbedingte Krankenhauseinweisungen aufzuspüren. Parallel ist eine Identifikation ebensolcher Krankenhauseinweisungen in der EudraVigilance-Datenbank vorgesehen. Die bei diesen Abfragen erzielten Ergebnisse werden in einem weiteren Schritt miteinander verglichen und analysiert. Damit soll der ursprüngliche Algorithmus optimiert und final formuliert werden.
Der verbesserte Algorithmus soll letztendlich Grundlagen für Konzepte schaffen, wie schwerwiegende Nebenwirkungen künftig vermieden werden können.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.
Bildquelle: Michael Dziedzic, Unsplash