Erstmals ist es gelungen, die frühen Stadien in der Entwicklung des menschlichen Herzens nachzuvollziehen. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten für Forschung und Therapie.
Um frühe Stadien der Embryonalentwicklung in der Zellkulturschale zu untersuchen, nutzen Wissenschaftler humane pluripotente Stammzellen (hPSC). Mit Hilfe biologischer oder chemischer Signale lassen sich die hPSC zum Beispiel so steuern, dass sie ausschließlich reine Herzmuskelzellen bilden. Diese können dann gezielt zu einem Gewebe zusammenwachsen – ein wichtiges Instrument für die Entwicklung neuer Therapien beispielsweise zur Reparatur geschädigter Herzen mit Hilfe der regenerativen Medizin.
Wie jedoch die vielen verschiedenen Zelltypen bei der Herzentwicklung Schritt für Schritt entstehen und durch Selbstorganisation komplexe Organstrukturen bilden, konnte bislang nicht in der Zellkulturschale nachgebildet werden. Jetzt ist es einem Forschungsteam um Dr. Robert Zweigerdt, Zellbiologe an den Leibniz Forschungslaboratorien für Biotechnologie und künstliche Organe (LEBAO) der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), erstmals gelungen, den kompletten Weg bis zur frühen Stufe eines menschlichen Herzens in Zellkultur nachzuvollziehen. Die Forschungsarbeit ist in der Fachzeitschrift Nature Biotechnology veröffentlicht.
„Wir haben die hPSC in einem Hydrogel aus Proteinen zu dreidimensionalen Zellaggregaten wachsen lassen und die gesteuerte Entwicklung in sogenannte Herzorganoide beobachtet“, sagt Dr. Lika Drakhlis, Erstautorin der Studie. Damit die Zellen überhaupt ein frühes Herzstadium ausbilden können, mussten die Wissenschaftler ein neues Differenzierungsprotokoll entwickeln. Diese spezielle Versuchsanleitung mit exakten Vorgaben zur Aufzucht der Organoide, die aus mindestens sieben verschiedenen, klar strukturierten Zell- und Gewebetypen bestehen, gab es für das Herz bis dahin nicht.
Durch die Kombination zahlreicher mikroskopischer und molekularer Methoden konnten die Wissenschaftler dann zeigen, dass sich die bis zu zwei Millimeter großen Zellklumpen genauso entwickeln, wie aus der Herzentwicklung im Embryo bekannt ist. „In dieser frühen Entwicklungsphase besteht das Organoid aus drei becherförmigen Schichten und umfasst die Anlagen des Herzens, der Vorläufer für Leber und Lunge und der Blutgefäße, die sich alle gegenseitig beeinflussen“, erklärt die Erstautorin.
Die Erkenntnisse sind jedoch nicht nur für die Wissenschaft zur Aufklärung der gesunden Organentwicklung interessant. Auch Fehlbildungen durch künstliche oder patienteneigene Gendefekte lassen sich in der Zellkulturschale untersuchen. „Das ist wichtig, um angeborene Herzerkrankungen besser verstehen und dann auch besser behandeln zu können“, erklärt Zweigerdt.
Zudem eignen sich die Organoide, um pharmakologische Wirkstoffe zu testen. „Die Wirkungen und Nebenwirkungen neuer oder weiterentwickelter Medikamente lassen sich in diesem neuen Modell ebenfalls untersuchen; konkrete Studien dazu haben wir gerade begonnen", so der Studienleiter.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Medizinische Hochschule Hannover. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Tim Mossholder, Unsplash