Laut einer Studie ermöglicht der Blutzuckerwert allein keine Prognose darüber, ob Risikopatienten Diabetes entwickeln oder nicht. Es komme auch hier auf das Zusammenspiel mehrerer Faktoren an, so die Studienautoren.
Ein Lebensstil mit wenig Bewegung, sitzender Tätigkeit, unausgewogener Ernährung und Übergewicht gilt als Ursache für einen Typ-2-Diabetes. Seit Jahrzehnten steigt weltweit die Zahl der Patienten; allein in Deutschland sind mittlerweile mehr als acht Millionen Menschen von der gravierenden Stoffwechselstörung betroffen.
„Wie rasch sich aus einem Prädiabetes ein manifester Diabetes entwickelt und welches Risiko für Folgeerkrankungen besteht, ist jedoch von Patient zu Patient sehr unterschiedlich“, so Prof. Robert Wagner vom Universitätsklinikum Tübingen. Er nutzte Daten von Probanden der Tübinger Familienstudie und des Tübinger Lebensstilprogramm (TULIP), um die ursächlichen Krankheitsmechanismen für Diabetes zu verstehen.
Die Studienteilnehmer mit hohem Diabetesrisiko wurden regelmäßig klinisch, laborchemisch sowie in der Kernspintomografie phänotypisiert. „Neben Parametern des Zuckerstoffwechsels wurden nun auch die Insulinsekretion und -sensitivität gemessen, sowie die Verteilung des Körperfetts, die Blutfettwerte und genetische Faktoren analysiert“, erklärt Wagner die Vorgehensweise in der Langzeitstudie.
Die Daten der rund 900 Probanden dienten als Grundlage für eine Clusteranalyse. Das Ergebnis war eindeutig: „Es zeigten sich bei den Probanden sechs Subtypen, die sich hinsichtlich ihrer individuellen Risikofaktoren, als auch beim weiteren Krankheitsverlauf – also der Entwicklung eines manifesten Diabetes und des Risikos für Folgeerkrankungen – deutlich unterschieden“, erläutert Prof. Andreas Fritsche, einer der Studienleiter.
Beispielsweise laufe nicht jede Person mit Übergewicht automatisch auch Gefahr, einen manifesten Diabetes zu entwickeln. „Erst die Kombination einzelner Parameter wie Körperfettverteilung oder Insulinsensitivität macht eine klarere Einschätzung möglich. Allein aufgrund der Blutzuckerwerte, auf der die Diagnose von einem Prädiabetes oder Diabetes meist fußt, konnten wir diese Vorhersagen zu einer späteren Manifestation eines Diabetes bei den Probanden jedoch nicht treffen.“
Die Studie zeige deutlich, wie wichtig es ist, auch andere Parameter neben den Blutzuckerspiegeln für eine Risikoeinschätzung einzubeziehen. „Aufbauend auf diesen bahnbrechenden Ergebnissen werden wir zukünftig die Mechanismen und maßgeschneiderte therapeutische Strategien in den Hochrisikoclustern untersuchen“, so Prof. Andreas Birkenfeld, Ärztlicher Direktor der Klinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie vom Universitätsklinikum Tübingen und DZD-Sprecher.
Für DDG und DZD sind diese neuen Erkenntnisse ebenfalls Grundlage für weitere prospektive Studien. „Es ist von immenser Bedeutung, die Frühphase der Stoffwechselerkrankung weiter zu erforschen – auch angesichts der weiter steigenden Zahlen der Diabeteserkrankten. Erst so können individuell angepasste Präventions- und Therapiemaßnahmen entwickelt und eingeleitet werden“, sagt DDG-Präsidentin Prof. Monika Kellerer.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
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