Bei Corona-Impfungen hofft man darauf, dass Geimpfte das Virus nicht mehr übertragen. Aus Israel kommen jetzt gute und schlechte Neuigkeiten.
Ob man als Geimpfter das Virus weiter verbreiten kann, ist wohl eine der wichtigsten Fragen in der Impfdebatte. Denn sie entscheidet maßgeblich über den weiteren Verlauf der Pandemie – eine sterile Immunität ist wesentlich für den Aufbau einer Herdenimmunität.
Beantworten lässt sich die Frage bislang noch nicht, aber die retrospektive Studie von Levine-Tiefenbrun et al. bietet dahingehend jetzt erste Hinweise. Demnach soll die Viruslast bei Geimpften, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben, bis zu viermal niedriger sein als bei ungeimpften Infizierten.
Die Forscher haben in ihrem noch nicht begutachteten Preprint die Viruslast von über 5.000 infizierten Probanden analysiert, die entweder die erste Dosis des Biontech-Impfstoffs erhalten haben oder noch ungeimpft waren. Dazu analysierten sie die Ct-Werte (cycle threshold) der positiven PCR-Tests. Speziell wurden dabei die drei Virusgene nachgewiesen, die für das Hüllprotein (E), das Nukleoprotein (N) und für die RNA-abhängige RNA-Polymerase (RdRp) kodieren.
Nochmal zur Erinnerung: Je höher der Ct-Wert, desto weniger virale RNA ist in einer Probe enthalten. Das ist so, weil der Wert die Anzahl an Vermehrungszyklen beschreibt, die ein PCR-Gerät durchführen muss, bis virale RNA nachgewiesen werden kann (lest hier mehr über den Ct-Wert).
Zuerst analysierten die Forscher die Ct-Werte von geimpften Personen: Infektionen, die 12 bis 28 Tage nach der Impfung auftraten, gingen mit einem höheren Ct-Wert einher verglichen mit Infektionen, die an Tag 1 bis 11 auftraten. Dies deckt sich mit der Beobachtung, dass die Wirkung einer Impfung verzögert eintritt. Die Unterschiede im Ct-Wert für das RdRp-, E- und N-Gen betrugen dabei durchschnittlich 2,1, 1,9 bzw. 1,6.
Reduzierte Viruslast bei Geimpften nach 12 Tagen nach der Impfung: Mittlere Ct-Werte des RdRp-Gens nach der ersten Impfdosis. Quelle: Levine-Tiefenbrun et al.
Verglichen die Forscher geimpfte und ungeimpfte Personen, dann fiel auf, dass sich die Ct-Werte von Tag 1 bis 11 nach einer Impfung nicht signifikant unterschieden. Ab Tag 12 konnte jedoch ein signifikanter Anstieg der Ct-Werte bei geimpften Personen nachgewiesen werden, bei ungeimpften aber nicht.
Da ein Unterschied im Ct-Wert von 1 einer fast zweifach höheren Anzahl von Viruspartikeln pro Probe entspricht, repräsentieren die oben genannten Ct-Wert-Unterschiede ein Viruslastverhältnis von rund 3 bis 4. Im Klartext heißt das: Geimpfte Personen, die sich 12 bis 28 Tage nach einer Impfung infizieren, weisen eine 3- bis 4-fach reduzierte Viruslast auf.
Die Ergebnisse lassen vermuten, dass eine Impfung die Virusausscheidung und somit möglicherweise auch die Infektiösität deutlich verringert. Das klingt erstmal nach guten Neuigkeiten. Allerdings hat die Studie einige Limitationen und es bleiben noch viele Fragen offen. So sind PCR-Tests zwar der Goldstandard, um Infektionen nachzuweisen, doch die Abstriche dafür sind nur schwer standardisierbar. Die ermittelten Ct-Werte bieten daher lediglich einen Näherungswert an die tatsächliche Viruslast.
„Das ist grundsätzlich ein erfreulicher Befund, deutet er doch an, dass auch die Viruslast im Nase-Rachen-Raum bei Geimpften niedriger ist und damit ihre Ansteckungsfähigkeit reduziert sein könnte“, meint Dr. Marco Binder, Leiter der Arbeitsgruppe Dynamics of Early Viral Infection and the Innate Antiviral Response am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg.
„Allerdings ist der gemessene Unterschied mit ungefähr zwei Zyklen Differenz bei den Ct-Werten verhältnismäßig gering: zwei Zyklen entspricht grob vier-fach weniger RNA und damit möglicherweise auch vier-fach weniger infektiöser Viren.“ Diese Zahl müsse aber ins Verhältnis zu den typischerweise nachgewiesenen RNA-Mengen gesetzt werden, die sich häufig im Bereich von Hunderttausenden oder Millionen von RNA-Molekülen bewegen, so Binder. „Inwiefern sich Anbetracht dieser allgemein sehr hohen Virusmengen eine vierfache Verringerung tatsächlich auf die Infektiosität der betroffenen Personen auswirkt, bleibt fraglich.“
So argumentiert auch Dr. Susanne Pfefferle: „Es ist schwierig, anhand eines einzelnen Ct-Wertes auf die Infektiosität der Person im Verlauf der Erkrankung zu schließen. […] Es kann auch nicht immer eine direkte Korrelation zwischen in der PCR gemessener RNA-Menge und Stärke der Infektiosität gezogen werden“, so die Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Bezüglich der Herdenimmunität erscheinen die Ergebnisse eher ernüchternd. Im Umkehrschluss bedeuten sie nämlich auch, dass Geimpfte noch immer eine gewisse Viruslast aufweisen und das Virus prinzipiell übertragen können. Die erhoffte sterile Immunität wird man durch die Corona-Impfungen also vermutlich nicht bewirken.
Die Studienergebnisse haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: United Nations COVID-19 Response, unsplash