Fruktose ist ein möglicher Trigger für gesteigertes Herzmuskelwachstum. Bei Hypertonie wird im Herzmuskel das Enzym Ketohexokinase-C (KHK-C) gebildet, das den Fruktose-Stoffwechsel in der Glykolyse antreibt. Die fehlende negative Rückkopplung wirkt als zusätzlicher Verstärker.
Wer dauerhaft übermässig viel Nahrungsmittel mit hohem Fruktoseanteil konsumiert, der erhöht das Risiko für Übergewicht, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und eine zunehmende Insulinresistenz. In Summe bilden diese Erkrankungen das metabolische Syndrom.
Prof. Dr. Wilhelm Krek vom Institut für Molekulare Gesundheitswissenschaften der Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich) und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Peter Mirtschink zeigen nun eine weitere, mögliche „Nebenwirkung“ von Fruktose auf. Die Forscher haben einen bis dato unbekannten molekularen Mechanismus entdeckt, der Fruktose als einen möglichen Trigger für übermäßiges Wachstum des Herzmuskels identifiziert, das bis hin zum tödlichen Herzversagen führen kann. Sie zeigten in ihrer Studie, dass der Sauerstoffmangel bei Hypertonie in den Herzzellen das Molekül HIF auf den Plan ruft. Dieses ist ein universeller molekularer Schalter, der bei pathologischen Wachstumsprozessen aktiviert wird, etwa bei bei einer Herzvergrößerung oder der Krebsentstehung. In den Herzmuskelzellen sorgt er dafür, dass das zentrale Enzym des Fruktose-Stoffwechsels KHK-C gebildet wird. KHK-C hat eine hohe Fruktose-Affinität und kann diese sehr effizient verarbeiten. Die KHK-C-Synthese wirkt sich verstärkend auf die Glykolyse aus. Da die Verstoffwechselung von Fruktose nicht negativ rückgekoppelt ist, setzt ein Teufelskreis ein, der das Zellwachstum antreibt.
Überprüft haben die Forscher diesen Mechanismus nicht nur an Mausmodellen, sondern auch an Gewebeproben von Patienten. Sie litten an krankhafter Herzvergrößerung mit entsprechender Verengung an der Herzklappe zur Aorta. Bei operativen Eingriffen am Herzen konnten Chirurgen Proben von Herzmuskelzellen gewinnen, in denen die Forscher sowohl HIF- als auch KHK-C-Moleküle in erhöhter Konzentration nachweisen konnten. Bei Mäusen, die an chronischer Hypertonie litten, schalteten die Forscher das KHK-Enzym aus. Dadurch ließ sich die Herzvergrößerung verhindern. Ein weiterer relevanter Aspekt ist die Tatsache, dass es von KHK-C im Körper eine ähnliche Variante gibt – das Enzym KHK-A – die eine niedrige Affinität für Fruktose hat. Beide Enzyme gehen aber auf den gleichen genetischen Code zurück. Wesentlich ist, dass der Bauplan für die beiden Enzyme, also die Boten-RNS, die eine Abschrift des entsprechenden DNS-Abschnitts ist, nach Bedarf auf enzymatischem Wege in unterschiedlicher Weise zugeschnitten wird. Somit können aus einer Gensequenz zwei Baupläne und zwei verschiedene Enzyme generiert werden. Dieser Vorgang nennt sich „alternatives Spleißen“. „Rund 95 Prozent aller Gene des Menschen werden alternativ gespleißt“, sagt Krek, „nur so kann die außerordentliche Vielfalt an Proteinen, Enzymen und Regulatoren im menschlichen Körper überhaupt gebildet werden.“ Fruktose lässt Herzzellen unkontrolliert wachsen. © Peter Mirtschink/Tatiana Simka/ETH Zürich
Normalerweise stellen nur Leberzellen das Fruktose-affine KHK-C-Enzym her. Die anderen Organe bilden fast ausschliesslich KHK-A. Die Forscher zeigen nun zum ersten Mal auf, dass auch ein Organ wie das Herz dazu in der Lage ist, das effizientere der beiden Enzyme zu erzeugen, wenn es entsprechenden Stressoren ausgesetzt ist. Dabei aktiviert HIF das molekulare Schneidewerkzeug SF3B1. Interessanterweise ist SF3B1 bei vielen Krebsarten häufig genetisch verändert, was möglicherweise darauf hindeutet, dass auch das Wachstum von Krebs durch die Fruktose-Konzentration beeinflusst wird. Originalpublikation: HIF-driven SF3B1 induces KHK-C to enforce fructolysis and heart disease Peter Mirtschink et al.; Nature, doi: 10.1038/nature14508; 2015