Herzmuskelschwäche betrifft fast vier Millionen Menschen in Deutschland und ist die häufigste Ursache für eine Krankenhausaufnahme. Bislang hilft bei schweren Verläufen lediglich ein neues Herz. Doch Forscher aus Göttingen stellen nun mit einem „Herzpflaster“ eine vielversprechende Therapiealternative in Aussicht.
Schon in frühester Kindheit lernt man: Wo es weh tut und brennt, hilft meistens ein Pflaster. Dass man natürlich nicht jede Erkrankung „überpflastern“ kann, liegt auf der Hand. Für die Forschungsgruppe am Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) bedeutet dies jedoch nicht, dass Pflaster nur der Wundheilung dienen müssen. Erstmals etablierten sie ein sogenanntes „Herzpflaster“, welches die Pumpfunktion kranker Herzen nachhaltig verbessern soll.
Herzmuskelzellen aus der Petrischale
Grundlage für das sogenannte „Herzpflaster“ ist die Herstellung von menschlichem Herzmuskel aus induzierten pluripotenten Stammzellen. Herzmuskelzellen und Bindegewebszellen werden dabei in einem etwa drei Monate dauernden Gewebezuchtverfahren (Tissue Engineering) in Form eines Patch aus 40 Millionen Zellen hergestellt.
Das differenzierte Herzmuskelgewebe wird als „Engineered Human Myocardium“ (EHM) bezeichnet und dient als biologische Reparaturmöglichkeit bei Fällen schwerer Herzinsuffizienz.
Das kaputte Herz
Erstmals wurde solch ein Herzmuskelpräparat aus Stammzellen zur Anwendung am Menschen genehmigt und verspricht nach präklinischer Prüfung eine neuartige Behandlungsmöglichkeit der Herzinsuffizienz.
Nach Angaben der WHO ist die Herzinsuffizienz als verminderte körperliche Belastbarkeit aufgrund einer ventrikulären Funktionsstörung definiert und ist die häufigste Ursache für eine Krankenhausaufnahme. Das Herz verliert dabei seine Fähigkeit, das vom Organismus benötigte Herzzeitvolumen bei normalem enddiastolischen Ventrikeldruck bereit zu stellen.
Daraus resultierende Krankheitssymptome wie Atemnot, Ödeme und Schwindel stellen eine große, alltägliche Belastung für Betroffene dar.
Pflaster drauf und fertig?
Da die krankheitsbezeichnende verminderte Pumpfunktion des Herzens aus einem Verlust von Herzmuskelzellen resultiert, erscheint die Stärkung der Herzwand durch das Herzpflaster ein vielversprechender Ansatz. Vorklinische Studien des Teams aus Göttingen zeigten, dass sich die Herzwand mittels differenziertem Herzmuskelpräparat um bis zu fünf Millimeter verdicken und gleichzeitig funktionell stärken lässt. Eine Abstoßungsreaktion sollen Arzneimitteln zur Unterdrückung des Immunsystems verhindern.
Neues Herz oder flicken?
Beim neuartigen Verfahren wird das vitale neue Muskelgewebe minimal-invasiv auf Schwachstellen des Herzens implantiert. Dabei dient ein etwa fünf Zentimeter großer Schnitt als Zugangsweg zum schlagenden Herzen. Das Herzpflaster wird direkt auf den bereits identifizierten Herzmuskeldefekt aufgenäht. Die neuartige Methode stellt damit zum ersten Mal den Versuch an, durch eine schwere Herzinsuffizienz unwiderruflich abgestorbene Herzmuskelzellen wieder aufzubauen, um so die Pumpleistung des Herzens nachhaltig steigern zu können.
Aktuelle medikamentöse Therapien begrenzen sich darauf, den Untergang vitalen Herzgewebes zu verlangsamen, können die Erkrankung jedoch nicht aufhalten. Besonders Patienten mit schweren Verläufen und einer fortgeschrittenen Herzmuskelschwäche sollen zukünftig von der Herzpflaster-Behandlung profitieren. Für sie ist ansonsten eine Herztransplantation oder die Implantation einer Herzpumpe derzeit die letzte Option.
Die Forscher beabsichtigen durch ihre Studie, die Sicherheit und Wirksamkeit ihres Herzpflasters klinisch zu überprüfen und eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität zu erreichen.
Dieser Text basiert überwiegend auf einer Pressemitteilung der Universitätsmedizin Göttingen
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