Für künstliche Befruchtungen sollte nur noch die erste Ejakulat-Fraktion verwendet werden, so eine aktuelle Studie. Sie scheint mehr und mobilere Spermien zu enthalten, die weniger DNA-Schäden aufweisen. Die zweite Phase wirkt sich demnach negativ auf den Befruchtungserfolg aus.
Etwa sechs Millionen Männer und Frauen zwischen 25 und 59 Jahren in Deutschland sind ungewollt kinderlos. Das entspricht einem Sechstel aller Menschen dieser Altersgruppe. Die Ursachen dafür sind gleichmäßig verteilt: Bei 30 Prozent der ungewollt kinderlosen Paare hat die Frau Probleme mit der Fertilität, bei weiteren 30 Prozent liegen die Probleme beim Mann. Bei wiederum 30 Prozent der Paare gibt es bei beiden Partnern ein Problem, bei 10 Prozent der ungewollt Kinderlosen gibt es keine medizinische Erklärung für ihre Unfruchtbarkeit.
51.242 Frauen haben im Jahr 2013 eine In-vitro-Fertilisation (IVF) oder eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) durchführen lassen. Das zeigt der aktuelle Jahresbericht des Deutschen IVF-Registers, in dem Daten aus 130 Reproduktionszentren ausgewertet wurden. Die Erfolgsrate beider Verfahren ist durchaus noch verbesserungsfähig. So resultierten im Jahr 2013 gerade einmal 13 Prozent aller IVF in einer Geburt, bei den ISCIs waren es 12,6 Prozent.
Ergebnisse einer aktuellen Studie [Paywall] aus Spanien könnten die Erfolgsraten beider Verfahren nun verbessern. Wissenschaftler einer Reproduktionsklinik konnten in einer Studie mit 40 männlichen Patienten zeigen, dass der erste Teil des männlichen Ejakulats offenbar besonders fruchtbar ist, die zweite Fraktion hingegen der Fruchtbarkeit weniger zuträglich ist. Die Forscher empfehlen, bei künstlichen Befruchtungen zukünftig nur noch die erste Fraktion des Ejakulats zu verwenden. Bei der Ejakulation verlassen mehrere Millionen Spermien den männlichen Körper. Bei einer erfolgreichen Befruchtung macht bekanntermaßen nur ein einziges Spermium das Rennen. Da scheint es logisch, dass die Spermien, die zuerst herausgeschleudert werden, zumindest einen zeitlichen Vorsprung auf dem Rennen zur Eizelle haben. Doch auch andere Faktoren spielen für eine erfolgreiche Befruchtung offenbar eine wichtige Rolle. „Das Ejakulat wurde bisher immer als Ganzes betrachtet. Wir glauben jedoch, dass es zwei grundverschiedene Fraktionen enthält, die sich unterschiedlich zusammensetzen und bei der Fortpflanzung zwei verschiedene, biologische Funktionen erfüllen, die Beide von großer Bedeutung sind“, so Studienleiterin María Hebles.
Aufgabe der ersten Ejakulationsfraktion sei es, das Ei zu befruchten. Die zweite Fraktion muss dafür sorgen, dass kein anderes Spermium mehr zum Zug kommt. Daher enthalte der erste Teil des Ejakulats Spermien-schützende Komponenten wie Zink, die zweite hingegen Bestandteile, die Spermien sogar schädigen können. In Kinderwunschzentren wird jedoch bisher üblicherweise das gesamte Ejakulat verwendet – also beide Phasen des Ejakulats gemischt. „Das könnte die Fruchtbarkeit der Spermien merklich verschlechtern“, so Hebles. Vor allem bei Männern, die wenige oder schlecht bewegliche Spermien aufweisen, sei die zweite Fraktion des Ejakulats problematisch.
Um ihre These zu stützen, baten die spanischen Reproduktionsmediziner 40 Probanden, ihr Ejakulat in zwei verschiedenen Behältern aufzufangen. Dann untersuchten die Forscher, wir fruchtbar die Spermien in der jeweils ersten und zweiten Fraktion des Ejakulats waren.„Wie erwartet, waren im ersten Teil des Ejakulats mehr Spermien vorhanden als im zweiten. Die Spermien in der ersten Fraktion bewegten sich zudem schneller und wiesen weniger Erbgutschäden auf als die in der zweiten Phase“, so Hebles.
Die Flüssigkeit der Ejakulation lässt in drei unterschiedliche Phasen gliedern: Die Prä-Ejakulationsfraktion, die erste und die zweite Fraktion des Ejakulats. Die Prä-Ejakulationsfraktion enthält kein Sperma. Das farblose Sekret wird von der Bulbourethraldrüse gebildet. Es dient dazu, die Harnröhre anzufeuchten und ihren Säuregehalt zu mildern. Die erste Fraktion des Ejakulats beinhaltet etwa 15 bis 45 Prozent des gesamten Ejakulatvolumens. Die zahlreichen Spermien in dieser Fraktion werden durch Enzyme wie Säure-Phosphatasen, Zitronensäure, Magnesium und Zink effektiv geschützt. Die zweite Fraktion, die das restliche Volumen des Ejakulats umfasst, enthält hingegen Verbindungen mit reaktivem Sauerstoff, die die Spermienqualität negativ beeinflussen.
Den Daten zufolge lässt sich die Spermienqualität für eine künstliche Befruchtung einfach und vor allem völlig kostenneutral verbessern. Einziger Nachteil: Bei der ohnehin delikaten Probengewinnung ist etwas mehr handwerkliches Geschick gefragt. Doch der Aufwand lohnt sich: Bei künstlichen Befruchtungen allein mit der ersten Ejakulatsfraktion erhöht sich wahrscheinlich nicht nur die Erfolgsrate der Fertilisation. Auch die qualitativ bessere DNA in dieser Phase könnte sich positiv auf die embryonale Entwicklung auswirken, vermuten die Wissenschaftler. Weitere, größere Studien müssen nun zeigen, ob sich die Erkenntnisse bestätigen. Originalpublikation: Seminal quality in the first fraction of ejaculate [Paywall] Hebles, M. et al.; Systems Biology in Reproductive Medicine, doi: 10.3109/19396368.2014.999390; 2015