Das Reisen in Zeiten von Corona ist ein schwieriges Thema. Gibt es in diesem Jahr Aussicht auf Besserung? Experten geben ihre Prognose ab.
Bei dem Thema Reisen während der Pandemie herrscht vor allem eines: viel Unklarheit. Virus-Mutationen, sich ständig ändernde Einreisebedingungen und Diskussionen um einen europäischen Impfpass machen Planungssicherheit gerade unmöglich. Wie blicken Experten aus der Reisemedizin auf das Jahr 2021? Darüber wurde auf einer Pressekonferenz des CRM Centrum für Reisemedizin gesprochen.
Einen wichtigen Faktor für Änderungen im Reisebereich sehen die Experten in international vergleichbaren Impf-Zertifikaten. Fest steht mittlerweile: Der Corona-Impfpass für EU-Bürger soll kommen. Darauf haben sich die 27 Staaten der Europäischen Union geeinigt. Ziel ist es, die gegenseitige Anerkennung von Corona-Impfzertifikaten sicherzustellen. Die Impfnachweise sollen sowohl in Papier- als auch in elektronischer Form möglich sein. Darin soll neben Basisinformationen zur Person und zum verwendeten Impfstoff auch die ausstellende Behörde eingetragen werden. Außerdem soll es eine Art elektronisches Siegel geben, z.B. ein QR-Code, mit dem der Impfstatus einer Person beispielsweise an Flughäfen international schnell und eindeutig festgestellt werden kann. Viele Punkte sind aber noch offen: Die EU hat sich bisher nur für ein einheitliches Dokument entschieden. Unklar ist, wie die genaue Nutzung konkret aussehen soll. Ob der gelbe Impfpass der Weltgesundheitsorganisation der gemeinsame Nenner der Staaten werden könnte, ist umstritten.
Ob der Corona-Impfpass noch in diesem Jahr eingeführt werden soll, bleibt ebenfalls offen. „Der internationale Impfpass ist eine gute Idee“, so Prof. Tomas Jelinek, Wissenschaftlicher Leiter des CRM Centrum für Reisemedizin. Er hat aber auch Bedenken: Das Mammut-Projekt der EU könnte sich noch lange hinziehen, bis Reisende den neuen Pass tatsächlich nutzen können. „Gerade bei digitalen Lösungen werden Zeit und Aufwand oft unterschätzt“, sagt er. Dr. Michael Sroka, Leiter der Flughafenklinik der Fraport AG in Frankfurt, sieht das ähnlich. „Wir brauchen eine Lösung, die schnell ist und überall auf der Welt funktioniert.“ Erstmal den WHO-Impfausweis für die Corona-Impfzertifikate zu nutzen, hält er für eine gute und rasch umsetzbare Option in diesem Jahr. So könnte man die Mobilität der Menschen in kurzer Zeit erhöhen. „Dann muss im zweiten Schritt über digitale Lösungen nachgedacht werden“, so sein Vorschlag.
Viele Reisewillige hoffen auf neue Freiheiten durch die kommenden Antigen-Schnelltests für alle (wir berichteten). Ab Anfang März 2021 könnte es dann soweit sein, dass auch Laien Schnelltests kaufen und zuhause selbst durchführen können. Damit könnte das Reisen ins Ausland teilweise einfacher werden. Noch ist aber unklar, welche Fluggesellschaften und Länder ein negatives Ergebnis im Antigen-Schnelltest in Zukunft als Einreisbedingung akzeptieren werden. Bisher ist das nur in wenigen Ländern wie Italien, Luxemburg und Schweden der Fall, in der Regel wird bei internationalen Reisen ein PCR-Test verlangt.
Mediziner Sroka ist etwas unbehaglich bei der Vorstellung von vielen selbstgetesten Passagieren im Flugzeug: „Ich fühle mich da noch nicht so ganz wohl“, sagt er. Er sieht ein Problem: Ein Reisender der seine 90-jährige Großmutter besucht, habe eine andere Einstellung bei der Selbsttestung als jemand, der ein Reise-Attest für einen Partyurlaub haben möchte. Das Ergebnis hänge auch von der Motivation des Testenden ab. „Es macht einen Unterschied, ob derTest auch über die Schmerzgrenze hinaus angwendet wird", so Sroka.
Mediziner Jelinek sieht neben einigen Hürden auch Grund zur Hoffnung: „Bei dem, was an Impfstoffen in der Pipeline ist, sind die Aussichten tatsächlich sehr erfreulich.“ Gemeint ist damit auch das Vakzin von Johnson & Johnson. Die EMA hat angekündigt, den Impfstoff in einem beschleunigten Verfahren zu prüfen. Er könnte Mitte März als vierter Corona-Impfstoff in Europa auf den Markt kommen und den bestehenden Engpass lindern. Insgesamt blicken die Experten also vorsichtig optimistisch auf das Reisejahr 2021. „Ich erwarte schon, [...] dass wir in der zweiten Jahreshälfte eine zunehmende Normalisierung sehen“, so Jelinek. Ob sich diese Einschätzung bewahrheiten wird, bleibt abzuwarten.
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