Warum wird in Österreich so oft gegurgelt? Und inwiefern unterscheidet sich der Gurgeltest vom Spucktest? Wir haben Experten befragt und die wichtigsten Informationen für euch gesammelt.
Während der Gurgeltest hierzulande bisher nur vereinzelt zum Einsatz kommt, hat er sich in Österreich längst etabliert. In welcher Form findet er dort Verwendung? Wir haben bei den Nachbarn nachgefragt, warum verstärkt aufs Gurgeln gesetzt wird und mit Unternehmen gesprochen, die maßgeblich in Österreichs Anti-Corona-Konzept eingebunden sind. Außerdem haben wir uns angeschaut, was es mit den sogenannten Spucktests auf sich hat.
Der Gurgeltest ist prinzipiell ein qPCR Test. Statt Abstriche im Nasen-Rachen-Bereich zu nehmen, wird hier auf Gurgeln gesetzt. „Bei niedrigen Ct- Werten gibt es kaum Sensitivitätsverluste im Vergleich zum Abstrich. Bei höheren Ct-Werten ab ca. 33 können die Werte zwischen 2-3 Zyklen variieren“, erklären Katrin Ritzinger und Dr.med. Ferenc Raduly zusammen. Ritzinger ist Standortleiterin, Ferenc ärztlicher Leiter des Containerlabors COVID Fighters, das österreichweit im Einsatz ist.
Gegurgelt wird mit einer Lösung – oder mit Wasser. „Zu den Vorteilen zählt, dass das Gurgeln weniger invasiv als der Abstrich ist – Gurgeln kann jeder und es ist für jeden zugänglich, da man nur ein verschließbares Gefäß sowie Wasser (optimalerweise rnase/dnase free, pryrogen free) oder 0,9% NaCl braucht. Danach 1 Minute den hinteren Rachenraum ausspülen, gurgeln und fertig“, fassen Ritzinger und Raduly zusammen.
Dann geht es weiter wie bei allen PCR-Tests, wie Virologe, Infektiologe und Internist Chris Steininger am Beispiel mit Schülern erklärt: “Die gurgeln und spucken in ein Probenröhrchen. Im Labor werden je nachdem Einzel- oder Pool-PCR-Analysen durchgeführt, um einen RNA-Nachweis zu machen. Wenn die Pool-PCR positiv ausfällt und nur dann müssen die Einzelproben nachgetestet werden”, so Steininger, der an der Medizinischen Universität Wien tätig und Gründer von Lead Horizon ist. Das Unternehmen stellt Gurgel-Testkits her und arbeitet eng mit der Stadt Wien zusammen.
Marco Herten, Marketingchef von Novogenia. Das Labor übernimmt in Österreich den Löwenteil der PCR-Analysen. Entnommen werden die Proben in Testzentren, Teststraßen oder an Schulen von eingeschultem Personal.
Internist Steininger geht mit seinem Unternehmen Lead Horizon einen innovativen Weg, das sogenannte „Heim-Gurgeln“. Dabei setzt er auf ein Kameraprinzip, weshalb der Test behördlich anerkannt ist und auch bei der Polizei für die eigenen Mitarbeiter zum Einsatz kommt. „Der Nutzer kann sich per App und Ausweis registrieren, macht den Test vor der Kamera und gibt die Probe in die Box“, schreibt Futurezone. Die Probensammlung kann der Verbraucher dann in Gehweite entweder bei der Post oder in einer Drogeriemarktfiliale abgeben. Es handelt sich also nicht um eine Pool-PCR, sondern um eine Einzel-PCR. Innerhalb von 24 Stunden erhält der Nutzer das Ergebnis auf sein Smartphone. Es enthält ein Zertifikat mit Laborbefund. „Hier wurde logistisch an allen Schrauben gedreht, um eine kurze Durchlaufzeit zu haben. Damit werden plötzlich PCR-Analysen günstiger als Antigentests“, erklärt Steininger.
„Alles gurgelt“ ist ein Pilotprojekt, bei dem das Unternehmen mit der Stadt Wien kooperiert. Seit Ende Januar läuft eine Testphase, die noch ausgeweitet werden soll. Bis zu 60.000 Mitarbeiter von Wiener Betrieben und Organisationen und deren Angehörigen haben die Möglichkeit, zwei Mal pro Woche heimzugurgeln. „Hier kommen wir mittlerweile auf eine Positivitätsrate von 0,15 Prozent. Bis Ende März werden wir alle Wiener Haushalte zwei Mal pro Woche mittels PCR-Verfahren testen können“, sagt Steininger.
Die Kosten von mittlerweile nur noch acht Euro pro Test übernimmt der Bund, der Gesundheitsstadtrat bezeichnet die PCR-Selbsttests als Lückenschließer zum Angebot der Teststraßen und -zentren. Testkits können außerdem im Drogeriemarkt aktuell um 59 Euro gekauft werden. Doch auch das könnte sich schnell ändern. „Ab März könnte es die Gratis-Gurgeltest dann auch für Private geben“, wie Futurezone berichtet.
In Deutschland startete seit kurzem die erste Drive-In-Station für Gurgeltests in Bremen, ansonsten scheint in hierzulande nur selten gegurgelt zu werden. Das könnte sich ändern. So kann Spahn sich Gurgel- und Spucktests vorstellen, wie er kürzlich bei einer Pressekonferenz sagte. Welche Test- bzw. Nachweisform er damit im Detail meint, wurde aber nicht klar und bleibt deshalb abzuwarten.
Klar ist: Neben den Gurgeltests mit anschließender PCR bringen sich seit Neuestem auch Spucktests auf Schnelltest- oder auch Selbsttestbasis ins Gespräch, also Antigentests. Dabei wird häufig nicht gegurgelt. Es handelt sich eher um das „Joggerrotzen“, bei dem die Spucke von hinten nach vorne „geschlürft“ wird. Danach spuckt man in den Behälter. Hier gibt es zum Beispiel das Modell von Joinstar, das auch beim BfArM gelistet ist, bisher natürlich noch nicht als Selbsttest. Es funktioniert unter Selbstanleitung und soll ein Ergebnis binnen 15 Minuten liefern.
Bei der Frage, wie gut diese Spuck-Tests sind, gehen die Meinungen unter Experten stark auseinander. Steininger hat damit schon Erfahrungen gemacht: „Ich muss solche Tests immer wieder machen. Im Hinterzimmer eines Fernsehstudios musste ich in einen Plastikbeutel reinspucken. Der Untersucherin, die mich anleiten musste, war selbst nicht bewusst, wie viel Spucke man dafür braucht – 2 ml sind mehr als man denkt. Dann muss man diese Speichel mit einer Pipette auftragen und dann transferieren“, erklärt er das Verfahren. „Das sind viele Schritte, wo einiges schief gehen kann bei der Handhabung. Deshalb bin ich ehrlich gesagt etwas skeptisch, wie zuverlässig sowas im real life ist im Gegensatz zu wissenschaftlichen Daten”, so Steininger.
Auch Herten hat einige Exemplare des chinesischen Modells Joinstar im Selbsttest ausprobiert. „Erstmal hab ich mich gefragt: Was soll ich jetzt machen? Ich musste mir die Anleitung auch erst fünf Mal durchlesen.” Wenn es um Selbsttests für Laien geht, sieht er hier dennoch weniger Probleme als bei klassischen Antigenschnelltests per Nasenabstrich. „Beim Gurgel- oder Spuck-Prozedere ergeben sich einige Vorteile. Man kann den Test selbst durchführen und er ist angenehmer als Nasenabstriche. Außerdem ist die Gefahr der falschen Selbstabnahme hier deutlich niedriger”, so Herten.
„Wir können uns vorstellen, dass es für viele Personen vor allem in der Früh unangenehm erscheint, einige mL Saliva zu erzeugen. Außerdem sollte man vor dem Gurgeln und Spucken mindestens eine Stunde nichts essen und trinken, um die Viruslast nicht zu verfälschen – und wegen möglicher Inhibitoren, die Ergebnisse verfälschen können“, sagen Ritzinger und Raduly. „Wir kennen aktuell keine Produkte in Österreich, die Spuckprotokolle bei Antigentests anbieten. Aber wenn die Patienten niedrige Ct-Werte haben, könnte es unserer Ansicht nach funktionieren.“ Ritzingers Team hat Inhouse-Validierungen mit Gurgelproben durchgeführt mit einem Lumineszens-Antigengerät (etwas sensitiver als lateral flow Ag-Tests): „Diese zeigten auf, dass auch positive Proben mit Ct-Werten unter 29 tadellos detektiert werden können. Bei Ct-Werten über 30 wird es jedoch unspezifisch“, lautet das Fazit.
Skeptisch hinsichtlich Spucken und Gurgeln im Antigenschenlltest-Sektor ist die Expertin Claudia Denkinger von der Tropenmedizin der Universität Heidelberg, die sehr viel zum Thema Schnelltests publiziert: „Wir haben parallel Speichel und Nase getestet“, so Denkinger auf Twitter. „Durchweg ist Speichel und Mundspülung wenig gut für Antigentests (nicht PCR). Das bestätigen auch andere Labore. Wahrscheinlich sind es Proteasen im Speichel, wenig Virus, und variable Konsistenz, die dazu beitragen“, so die Ärztin.
Beim Selbsttest plädiert sie deswegen für den Nasenabstrich: „Warum funktioniert es, selbst die Probe anzunehmen? Weil es nicht darauf ankommt, ob man an den Nasenmuscheln ist oder in der vorderen Nase, solange man lange genug an der Nasenwand Probe nimmt“ sagt Denkinger und verweist auf einen Preprint, an dem sie selbst mitgeforscht hat. Ob der Nasenabstrich von Personal oder einem Laien genommen wird, spiele keine wesentliche Rolle, so das Ergebnis.
Eines ist klar: Die Sensitivität bei Schnelltests in jeglicher Form ist geringer als bei PCR-Tests. Dafür dauert es auch länger, bis ein Ergebnis vorliegt. Welche Testart die geeignetste ist, hängt eben von der Testsituation ab. „Ich kann nicht ein Event besuchen und meinen Corona-Test durch PCR vorher validieren lassen, das ist technisch und zeitlich vor Ort nicht machbar, daher kann in solchen Fällen der Antigentest ein sinnvoller Einsatzbereich sein“, sagt Herten. An dieser Stelle möchte Steininger auf folgenden Punkt hinweisen: „Dass man ein Konzert besucht, weiß man in der Regel schon Tage vorher. Ein PCR-Test wäre hier leicht umsetzbar und das Ergebnis wäre immerhin 72 Stunden gültig.“ Des Weiteren erzählt er von einer Schule, die bei „Alles gurgelt“ teilnimmt. Dort herrscht jetzt Vollbetrieb, weil alle Eltern, Schüler und Lehrer zwei Mal pro Woche am Gurgel-PCR-Test teilnehmen. „Da das Resultat 72 Stunden Sicherheit gewährt, ist das eine vernünftige Option“, so Steininger.
Die entscheidende Frage ist: Wofür genau eignen sich die jeweiligen Tests? „Um hochinfektiöse Menschen herauszufiltern, ist ein Schnelltest schon sehr valide“, so Herten. Doch der Zeitpunkt des Testens entscheide. Auch, wenn der Antigentest nicht greift, kann die Person trotzdem infektiös sein. „Wird man damit alle Fälle detektieren? Nein. Sollte man es mit dem Antigentest deshalb sein lassen? Ich finde nicht. Wenn man etwa in einem Altenpflegeheim durch tägliches Testen den Großteil rausfiltert und vielleicht noch mit PCR bestätigt, dann ist das ein gutes System.“
Bei der PCR sieht Steininger langfristig die Probenentnahme durch Gurgeln als Methode der Wahl. „Jeder, der die Wahl hat, gurgelt lieber, als sich einen Wattestab in die Nasenlöcher zu schieben. Ich schätze, dass sich das à la longue durchsetzen wird.“
Auch spannend, aber noch Zukunftsmusik: ein völlig neues Gurgel-Testfahren, das die Universität Heidelberg nun vorstellte. „Es basiert auf einer Gurgelprobe mit einer Kochsalzlösung und einem Nachweis der viralen SARS-CoV-2-RNA mittels einer isothermalen enzymatischen Reaktion“, heißt es in einem aktuellen Pressebericht. Mithilfe einer Robotik-Plattform können die Proben in einer experimentellen Teststation innerhalb von circa acht Stunden ausgewertet werden. Bisher ist dieses Verfahren nur für Forschungszwecke zugelassen.
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