Vor allem die Impfungen gegen SARS-CoV-2 stehen während der letzten Monate stark im Fokus der Öffentlichkeit. Nun gibt es erste vielversprechende Ergebnisse zu einer Präexpositionsprophylaxe im Tiermodell.
Bereits letztes Jahr schlugen Wissenschaftler immer wieder vor, der Entwicklung eines intranasalen Impfstoffes gegen SARS-CoV-2 noch mehr Beachtung zu schenken. Eine Gruppe von Molekularbiologen aus den USA testete sogar ihren eigens entwickelten nasalen SARS-CoV-2-Impfstoff an sich selbst und erntete dafür teilweise Kritik (DocCheck berichtete).
Bei einer einfachen und schnellen Applikation über die Nase liegen viele Vorteile auf der Hand. Seit dem Beginn der Pandemie gab es auf diesem Gebiet schon einige vielversprechende Ansätze. So zeigten A. O. Hassan et al. im Herbst, dass ihr Vektorimpfstoff nach einmaliger intranasaler Applikation bei Mäusen hohe Mengen neutralisierender Antikörper induzieren, systemische und mukosale Immunglobulin A (IgA) und T-Zell-Antworten verstärken und fast vollständig eine SARS-CoV-2-Infektion – sowohl der oberen als auch der unteren Atemwege – verhindern konnte.
Auch erste klinische Studien am Menschen laufen hierzu bereits. Im Januar hat die Firma Codagenix die erste klinische Phase-1-Studie mit ihrem intranasalen Impfstoff COVI-VAC gestartet. Weitere Kandidaten stehen in den Startlöchern.
In Science berichten R.D. de Vries et al. jetzt von einer Substanz, die – als eine Art Präexpositionsprophylaxe – eine SARS-CoV-2-Übertragung bei Frettchen, nach täglicher intranasaler Verabreichung, vollständig verhindern konnte.
Für die Entwicklung ihres Medikaments fokussierten sich die Forscher auf folgendes Prinzip: Bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 kommt es zur Membranfusion der Virushülle mit der Zelloberfläche oder der endosomalen Membran der Wirtszelle. Dieser Fusionsprozess wird durch das virale Transmembran-Spike-Glykoprotein vermittelt. Nach einer ersten viralen Anheftung lösen Wirtsfaktoren Konformationsänderungen im Spike-Protein, einschließlich eines Rückfaltungsschritts, aus, welcher direkt zur Membranfusion und zum Eintritt des Virus führt. Bestimmte Peptide sind in der Lage, diese Rückfaltung zu hemmen und dadurch die Fusion und eine Infektion zu verhindern. Diese Peptide werden deshalb auch als Lipopeptid-Fusionsinhibitoren bezeichnet.
Dass diese Peptide erfolgreich Infektionen mit dem humanen Parainfluenzavirus Typ 3 (HPIV-3), dem Masernvirus, Influenzaviren oder dem Nipah-Virus hemmen können, wurde bereits gezeigt. Auch stellten Wissenschaftler fest, dass Lipid-konjugierte Peptide, die Tieren intranasal verabreicht wurden, hohe Konzentrationen sowohl im oberen als auch im unteren Respirationstrakt erreichen können. Sie können außerdem so modifiziert werden, dass sie in der Lage sind, die Ausbreitung eines Virus von der Lunge in den Blutkreislauf und hin zu weiteren Organen zu modulieren.
De Vries und seine Kollegen machten sich also daran und entwickelten Lipopeptid-Fusionsinhibitoren, die diesen kritischen ersten Infektionsschritt bei SARS-CoV-2 blockierten und testeten sie anschließend im Tiermodell. Sie infizierten für ihre Versuche Frettchen und brachten sie jeweils mit unbehandelten sowie vorbehandelten Tieren in einen Käfig. Nach einem 24-stündigen gemeinsamen Aufenthalt der Versuchstiere konnten die Forscher bei keinem der vorbehandelten Frettchen infektiöse Viren isolieren. Die unbehandelten Tiere wurden ausnahmslos durch ihre neuen Mitbewohner infiziert.
Aufgrund ihrer Ergebnisse schlagen die Wissenschaftler jetzt vor, ein solches SARS-CoV-2-spezifisches Lipopeptid als Kandidat für eine antivirale Präexpositions- und frühe Postexpositionsprophylaxe im Kampf gegen die Pandemie in Betracht zu ziehen.
Der Fusionsinhibitor wirke in vitro bei allen bisher bekannten Varianten, inklusive B.1.1.7 und B.1.351. In ihrem Fazit zählen die Forscher die Vorteile auf: Das Peptid sei lange haltbar, müsse nicht gekühlt werden und die Verabreichung sei simpel. Dadurch eigne es sich besonders für die Behandlung schwer erreichbarer Bevölkerungsgruppen. Der Lipopeptid-Fusionshemmer könne für die Anwendung am Menschen weiterentwickelt und als SARS-CoV-2-Prophylaxe in Form eines Nasensprays oder einer Inhalation angewendet werden.
Die Ergebnisse von de Vries et al. haben wir euch im Text und nochmal hier verlinkt.
Bildquelle: Alfred Kenneally, unsplash