Früher oder später benötigt fast jeder Typ-2-Diabetespatient eine Intensivierung der Therapie. Leitlinien empfehlen eine Stufentherapie. Früh eingesetzt, effektiv und sicher, sollte sie zudem Patientencharakteristika berücksichtigen. „Fixkombinationen sind eine gute Umsetzung“, findet Prof. Dirk Müller-Wieland. Warum, lesen Sie im Interview.
Prof. Dirk Müller-Wieland ist Internist mit den Schwerpunkten Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel. Durch wissenschaftliche Forschung, langjährige klinische Erfahrung und als Past-Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) gilt er als ausgewiesener Experte für Störungen des Fettstoffwechsels bei Diabetes mellitus und metabolisch-bedingte kardiovaskuläre Komplikationen.
Seit 2016 leitet Prof. Müller-Wieland das klinische Studienzentrum der I. Medizinischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. N. Marx) des Universitätsklinikums der RWTH Aachen, mit dem Schwerpunkt kardiometabolische Prävention.
Wir alle kennen die durchaus komplexen Stufen-Therapie-Schemata in den einschlägigen internationalen und nationalen diabetologischen Leitlinien. Warum ist das so bzw. welchen Stellenwert hat die Kombinationstherapie generell in der Therapie des Typ-2 Diabetes?
Die Fachgesellschaften stehen vor der Herausforderung, neue Ergebnisse der großen kardiovaskulären Endpunktstudien zeitnah in die praktische klinische Empfehlung zu übersetzen. Ein Grundprinzip ist, die Studien, die einen positiven Ausgang hatten, d. h. einen Mehrwert für den Patienten haben, zu berücksichtigen.
So komplex ist der Therapiealgorithmus aber nicht. Im Prinzip geht es zuallererst nicht um den HbA1c, sondern um die Frage: Besteht ein hohes oder sehr hohes kardiovaskuläres Risiko? Ist das der Fall, lautet die evidenzbasierte Empfehlung, dass bevorzugt eine Kombination mit Metformin und einem SGLT2-Hemmer oder einem GLP-1-Rezeptoragonist gegeben werden sollte.
Was sieht der stufenweise Therapiealgorithmus der DDG für die Behandlung von Typ-2-Diabetes vor?
Basis einer oralen Therapie ist Metformin, die weitere Therapieeskalation erfolgt, wie schon erwähnt, risikoadaptiert mit einem SGLT2-Hemmer oder GLP-1-Rezeptoragonist, beides Substanzen, die in den kardiovaskulären Endpunktstudien einen Benefit gezeigt haben. Bei Patienten mit hohem oder sehr hohem kardiovaskulärem Risiko wird auch empfohlen, statt eines DPP4-Hemmers eine Substanz mit Benefit einzusetzen. Zu beachten sind dabei auch die Nierenwerte, da für die Behandlung des Typ-2-Diabetes die Primärverschreibung eines SGLT2-Hemmers von einer eGFR über 60 abhängt.
Für Patienten ohne erhöhtes Risiko möchten wir eine primär effektive und sichere Therapie mit einer möglichst guten HbA1c-Einstellung erreichen. Es kommen Faktoren hinzu, wie: Ist der Patient übergewichtig oder soll er nicht weiter Gewicht verlieren? Benötigt der Patient eine Hypoglykämie-sichere Therapie, weil er oder sie sonst häuslich und auch individuell gefährdet ist? Ist der Patient ein älterer Patient im ländlichen Bereich und benötigt eine einfache HbA1c-kontrollierende Eskalation der Therapie? Hier haben DPP4-Hemmer weiterhin einen Stellenwert, entweder zusätzlich zum SGLT2-Hemmer oder auch in der anderen Reihenfolge. Die Triple-Therapie wird als sinnvolle Therapieoption auch in den praktischen Empfehlungen der Leitlinien ausdrücklich erwähnt.
Welche Empfehlungen geben die aktuellen nationalen und internationalen Leitlinien für die Behandlung von Typ-2-Diabetes mit einer Kombinationstherapie, bestehend aus MET + SGLT2i + DPP4i?
Im Verlauf einer Erkrankung mit Typ-2-Diabetes steigt durch Progression der HbA1c weiter an, sei es durch Insulinresistenz oder Abnahme der Betazellfunktion. Daher ist eine Eskalation der Therapie notwendig, und zwar früh, effektiv und sicher. Dazu ist häufig eine Kombinationstherapie aus zwei oder drei Substanzen nötig. DPP4-Hemmer haben in den kardiovaskulären Endpunktstudien gezeigt, dass sie auch in Kombinationen mit anderen Pharmaka sicher sind. Das hat einen hohen klinischen Stellenwert und hat der Triple-Therapie mehr Gewicht in den Empfehlungen nationaler und internationaler Leitlinien gegeben.
Wenn wir oral denken, dann folgt nach Metformin ein SGLT-2-Hemmer oder der klassische DPP4-Hemmer. Bei einer weiteren Eskalation kommen wir zu den Dreifach-Therapien, also Metformin, SGLT-2-Hemmer und DPP4-Hemmer.
Welchen Stellenwert nehmen Fixkombinationen in der Therapie des Typ-2-Diabetes ein?
Eine Fixkombination ist nicht zwingend nötig, aber eine gute Umsetzung. Basierend auf den individuellen Therapiezielen ist oft schnell eine Kombinationstherapie notwendig. Deshalb freuen wir uns über Fixkombinationen. In der Hypertonie-Therapie haben wir jahrelang gestritten, mit welcher Substanz begonnen werden soll, wohlwissend, dass wahrscheinlich zwei Drittel der Patienten sowieso eine Kombination aus mehreren Substanzen benötigt.
Fixkombinationen ermöglichen eine patientenzentrierte und einfache Kombination verschiedener Therapieprinzipien. So muss eine Triple-Therapie nicht unbedingt bedeuten, dass der Patient drei separate Medikamente nehmen muss, sondern bei der Einnahme von zwei verschiedenen Tabletten morgens und abends bleibt. Insofern ist die Fixkombination von einem SGLT2-Hemmer mit einem DPP4-Hemmer ein für den Patienten einfaches Konzept.
Selbstverständlich spielen auch der Patientenwunsch sowie die Begleitumstände bei der Entscheidung für die Fortsetzung einer oralen Therapie eine Rolle.
Bitte schildern Sie einen typischen Patienten, den Sie mit einer oralen Fixdosiskombination aus Metformin, SGLT2-Inhibitor und DPP4-Inhibitor behandeln würden?
Ein typischer Patient erhält bereits Metformin und einen SGLT2-Hemmer, ist z.B. ein älterer Mensch, der eine zusätzliche HbA1c Senkung benötigt und aus persönlichen Gründen Injektionstherapien ablehnt, oder bei dem man auch eine weitere Gewichtsreduktion nicht möchte. Das heißt, da könnte man zur Stoffwechseleinstellung noch einen DPP4-Hemmer ergänzen. Da wäre jetzt die Sequenz nach Metformin, SGLT2-Hemmer plus DPP4-Hemmer, eine sinnvolle Therapie.
Ein weiteres Beispiel: Ein junger Patient, 51 Jahre alt, möchte eine optimale HbA1c-Einstellung haben und wird bereits mit Metformin und SGLT2-Hemmer behandelt. Auch da kann man völlig problemlos einen DPP4-Hemmer zur weiteren Stoffwechseloptimierung hinzugeben. Und dann bietet sich natürlich an, nach dem Metformin eine Fixkombination mit SGLT2-Hemmer und DPP4-Hemmer zu verwenden.
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