Sogar Laien wissen mittlerweile, was Preprints sind. Drei Argumente, warum ich den Vormarsch des Preprints begrüße.
Kritik am altetablierten System des wissenschaftlichen Publizierens gibt es schon lange: Das System war kostspielig, teuer – und Forscher sahen sich Gutachtern ausgesetzt, die nicht immer objektiv waren. SARS-CoV-2 zeigt jetzt, dass es andere Wege gibt. Sie sind nicht frei von Schwächen, aber besser als das jahrhundertealte System wissenschaftlicher Journale. Was sich geändert hat:
Bei der SARS-CoV-2-Pandemie spielt Zeit eine große Rolle, um das Virus einzudämmen und um COVID-19-Patienten zu behandeln. Sind wir mal ehrlich: Eigentlich gilt das für jede schwerwiegende Krankheit, etwa Krebs. Je schneller Studiendaten veröffentlicht werden, desto eher finden neue Therapien auch ihren Weg in die Praxis.
Das gelingt mit Vorab-Publikationen oder Preprints. Sie werden auf eigenen Servern wie bioRxiv oder medRxiv hochgeladen und stehen sofort – vor allem ohne Paywall – der weltweiten Wissenschaftscommunity zur Verfügung. Das spart Zeit. Andere Labors bekommen wichtige Informationen schneller, um ihrerseits daran weiterzuarbeiten. Zum Vergleich: Vom Eingang einer Arbeit bis zur Veröffentlichung kann es bei klassischen Journalen drei oder mehr Monate dauern. Science, Nature, The Lancet, BMJ, JAMA & Co. akzeptieren zwischen fünf und zehn Prozent aller eingereichten Manuskripte. Dann starten Forscher einen Anlauf bei der nächsten Fachzeitschrift, und wieder geht viel Zeit ins Land.
Manche Forscher sehen Preprints kritisch, weil keine Gutachter die Beiträge prüfen. Peer Reviews finden erst später statt, sobald der Artikel seinen Weg hin zu einer Fachzeitschrift gefunden hat. US-Forscher kritisieren in COVID-19-Zeiten eine Flut an Preprints mit zweifelhafter Qualität.
Deshalb sollte man keineswegs denken, Peer Reviews sind das Maß aller Dinge. Sie kosten Zeit, und Gutachter sind nicht immer neutral. Was besser wäre: Die wissenschaftliche Community bewertet Preprints selbst, diskutiert darüber und leistet mehr als eine Handvoll elitärer Gutachter. Preprint-Server haben längst die technischen Voraussetzungen dafür. Jetzt liegt es an Forschern, sich stärker als bislang zu beteiligen.
Nicht zuletzt haben sich die großen Verlage mächtig bewegt. Sie bieten Artikel über SARS-CoV-2 beziehungsweise COVID-19 ohne Paywall an und kommen damit einer alten Forderung nach. Schon lange kritisieren Wissenschaftler, dass sie dafür zahlen, Artikel im Journal zu platzieren oder Paper anderer Forschergruppen abzurufen. Gerade Ergebnisse aus öffentlich finanzierten Forschungsprojekten sollten der Allgemeinheit zu Gute kommen.
Ob Verlage auch in Post-COVID-19-Zeiten großzügig bleiben, lässt sich derzeit nicht sagen. Andere Themen verbergen sich immer noch hinter Bezahlschranken. Deshalb ist es höchste Zeit, das alte Thema Open Access neu zu diskutieren. Beim sogenannten „goldenen Weg“ übernehmen Open-Access-Journale den Artikel nach externer Begutachtung. Perfekt ist das Peer-Review-Verfahren auch hier nicht. Aber selbst klassische Journale wie The Lancet müssen Artikel zurückziehen. Außerdem zahlen die Autoren bei Open-Access-Verlagen hohe Summen, weil es keine Bezahlmodelle über Artikelabrufe gibt. Daran zeigt sich: Open Access hat auch Schwächen.
Dennoch ist klar: Ein „weiter wie bisher“ wird in Post-Corona-Zeiten nicht funktionieren. Die Medizin hat erkannt, dass sie schnell alle verfügbaren Daten braucht, dass Preprints alleine aber nicht immer allen Ansprüchen genügen. Server könnten große, angesehene Forschungseinrichtungen zum Selbstkostenpreis betreiben. Und wer kann wissenschaftliche Veröffentlichungen besser bewerten als Wissenschaftler selbst?
Wer weiß, vielleicht werden Preprints auf eigenen Servern die neuen Prints. Das setzt aber auch neue Analysen voraus. Um die Bedeutung von Papern bei Drittmittelanträgen zu bewerten, eignet sich der h-Index als Zahl von Zitationen besser als der ehrwürdige Impact Factor von Fachzeitschriften.
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