Bei chronisch-infizierten, immungeschwächten HEV-Patienten fand sich im Ejakulat eine deutlich höhere Viruslast als im Blut. Offenbar kann das Virus die Blut-Hoden-Schranke passieren und in den männlichen Keimdrüsen persistieren.
Hepatitis E ist eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit der Leber. Sie wird durch das Hepatitis-E-Virus (HEV) verursacht und heilt in den meisten Fällen von selbst aus. Bei Patienten, deren Immunsystem beispielsweise wegen einer Transplantation gedrosselt wurde, kann die HEV-Infektion jedoch chronisch verlaufen und bereits nach wenigen Jahren zu einer Leberzirrhose führen.
Die DZIF-Wissenschaftler Dr. Sven Pischke und Dr. Thomas Horvatits vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) machten in der Klinik bei genau diesen chronisch-infizierten Patienten eine Beobachtung: Trotz antiviraler Therapie und zunächst sinkender Virus-Konzentration im Blut wurde die Virushepatitis E wieder reaktiviert. Der Frage, warum das so ist, gingen Sven Pischke, Thomas Horvatits und ihr Team nun in einer im Journal of Hepatology veröffentlichten Pilotstudie nach. Sie fanden heraus, dass HEV bei chronisch Infizierten im Ejakulat viel länger überdauern als im Serum.
Dazu untersuchten Pischke und Horvatits in ihrer Studie mittels Elektronenmikroskopie, Polymerase-Kettenreaktion, Dichtezentrifugation und Genomsequenzierung das Blut, den Urin, den Stuhl und das Ejakulat von insgesamt neun Hepatitis-E-Patienten. Darunter waren drei immunsupprimierte Patienten mit einer chronischen Virushepatitis E und sechs weitere Probanden mit einem intakten Immunsystem und einer akuten Hepatitis-E-Infektion.
Bei zwei der drei chronisch-infizierten Patienten fand sich im Ejakulat eine erheblich höhere Viruslast als im Blut. Unter Therapie mit dem Virostatikum Ribavirin konnten keine HEV mehr im Blut nachgewiesen werden, im Ejakulat hingegen schon. Im weiteren Verlauf stieg die Viruslast in Serum, Ejakulat und Stuhl wieder rapide an – ein möglicher Hinweis auf eine den ganzen Körper betreffende Reaktivierung der HEV-Infektion. Im Gegensatz dazu befand sich bei keinem der sechs immunkompetenten Patienten mit einer akuten Hepatitis E das HEV im Ejakulat, einem möglichen Virusreservoir.
„Die Evolution hat hervorgebracht, dass die Blut-Hoden-Schranke für Zellen des Immunsystems und Schadstoffe undurchlässig ist“, erklärt Pischke. „Wenn sich Patienten mit geschwächter Immunabwehr mit Hepatitis E infizieren, kann das Virus die Schranke ungehindert passieren und in den männlichen Keimdrüsen verweilen. In diesem Fall ist die Blut-Hoden-Schranke von Nachteil für die Patienten, denn Immunzellen können nicht in die Hoden vordringen, um die Krankheitserreger dort zu bekämpfen“, so Pischke weiter.
Normalerweise erfolgt die Übertragung der HEV-Infektion durch kontaminiertes Wasser oder durch verunreinigte Lebensmittel, z. B. über den Verzehr von unzureichend gegartem Schweine- oder Wildfleisch. Ob chronisch-infizierte Hepatitis-E-Patienten über das Ejakulat auch infektiös für ihre Sexualpartnerinnen oder -partner sind, soll in weiteren Studien im Tiermodell getestet werden. Bis das geklärt ist, wird das Ejakulat von Hepatitis-E-Patienten in der Klinik getestet.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: elizabeth lies, Unsplash