Nicht nur in den Sommermonaten ist es wichtig, bestimmte Arzneimittel gekühlt zu liefern. Deutsche Apotheken nehmen dafür einiges an zusätzlicher Arbeit auf sich. Doch bei Versand aus dem Ausland wird kaum kontrolliert.
Das Thema Temperaturkontrolle beim Versand von Medikamenten scheint in erster Linie in den Sommermonaten bedeutungsvoll zu sein. Durch eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag vom 01. Februar 2021 wird sie nun auch in den kühlen Monaten – in denen es übrigens genauso wichtig ist, die Medikamente bei stabilen Temperaturen auszuliefern – interessant. Und das betrifft nicht allein kühlpflichtige Corona-Impfstoffe. Wie steht es um die Temperaturkontrolle von Arzneimitteln beim Versand aus dem benachbarten Ausland? Hat sich die ABDA nach ihrem erfolgreichen Einsatz in der Vorbereitung des VOASG zurecht darüber gefreut, dass nun mehr kontrolliert wird? Und wie läuft ein solcher Versand eigentlich im Idealfall ab?
Die ABDA begrüßte die geplanten Temperaturkontrollen im VOASG bereits im Jahr 2019 sehr, machte aber bereits damals schon darauf aufmerksam, dass eine Handhabe zur Kontrolle fehlt:
Wie recht die ABDA mit dieser Einschränkung hatte, tritt inzwischen klar zutage. Im Text der Kleinen Anfrage heißt es dazu:
„Die niederländischen Behörden verweisen bei sogenannten Grenzapotheken auf Kontrollen durch die Behörden in dem Land, wo die Empfängerinnen und Empfänger, also die Patientinnen und Patienten in Deutschland, ihren Wohnsitz haben; die Landesbehörden in den deutschen Bundesländern hingegen sehen sich nicht zuständig bzw. nicht in der Lage; und die Bundesregierung wiederum verweist auf die niederländischen Behörden und deren Zuständigkeit.“
Dass diese sich bereits in der Vergangenheit kaum dafür interessiert hatte, zeigt eine Studie aus dem Jahr 2018 eindrücklich. Der Arzneimittelgroßhändler NOWEDA hatte bei einem Marktforschungs- und Beratungsunternehmen eine Studie in Auftrag gegeben: Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Arzneimittel-Versandhandels. Im Rahmen der Studie wurden unter anderem sieben temperaturlabile Arzneimittel bei unterschiedlichen Versendern bestellt, von denen nur zwei beim Erhalt durch den Empfänger die vorgeschriebene Temperatur aufwiesen. Die restlichen Kühllieferungen wurden nicht persönlich zugestellt, sondern ohne Sendungsinformation auf der Terrasse abgelegt oder beim Nachbarn abgegeben.
Bei einer Testbestellung der temperaturlabilen Döderlein-Kapseln des Apothekers Christoph Kreiss beim niederländischen Versender DocMorris trat durch die Hitze während des Transports ein exorbitant großer Wirkverlust der Kapseln ein, wie ein Gehaltstest bewies. Statt 450 Millionen keimbildende Einheiten enthielt das durch DocMorris versendete Döderlein-Präparat durch die hohe Versandtemperatur nur noch 12 Millionen KBE.
Doch wie muss ein solcher temperaturgesicherter Versand innerhalb Deutschlands überhaupt aussehen, an dem sich der internationale Versand messen lassen sollte? Bisher existieren keinerlei offizielle Leitlinien, an denen sich die Apotheken einfach orientieren könnten. Jeder Versender muss sich selbst in die Problematik einarbeiten. Das GDP-Regelwerk (Good Distribution Practice of Medicinal Products for Human Use), eine am 7. September 2013 in Kraft getretene Leitlinie für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln innerhalb Europas, regelt zwar grundsätzlich, wie der Transport von statten gehen sollte, geht dabei aber nicht ins Detail. Die verantwortlichen Apotheker und Apothekerinnen müssen sich mit den Regelungen des §11a Apothekengesetz und §17(2a) der Apothekenbetriebsordnung befassen.
Für jeden einzelnen Versender gelten also nicht nur die einheitlichen europäischen GDP-Richtlinien als Rahmenbedingung, es müssen auch zusätzliche Festlegungen im eigenen Qualitätsmanagementsystem getroffen werden. Diese definieren dann im Detail, wie ein Arzneimittel so verpackt, transportiert und ausgeliefert wird, dass seine Qualität und Wirksamkeit erhalten bleibt. Je nach Art der transportierten Produkte, der Transportzeiten, -strecken und -unternehmer sowie der lokalen Gegebenheiten müssen diese Prozesse dann angepasst werden.
Auf dem Weg dieser Prozessanalyse fließt in jeder Apotheke sehr viel Zeit und Arbeit in Risikoanalysen, Qualifizierung und Überwachung von Raumtemperatur, Kühl- und Tiefkühllagerungen, Auswahl und Qualifizierung von Transportbehältnissen, Erstellung von Berichten, Arbeitsanweisungen und Prozessüberwachungen. Durch diese Basisarbeit erlangt die Apotheke die Kompetenz, das Risiko einer verminderten Qualität und Wirksamkeit beim Transport einzuschätzen und entsprechende Maßnahmen zu treffen.
Da diese harte Arbeit in Deutschland durch viele verschiedene Behörden überwacht wird und Verstöße durchaus geahndet werden, muss es für die inländischen Versender wie ein Hohn wirken, was dagegen im Ausland möglich ist. Wieder einmal wird hier mit zweierlei Maß gemessen und beim Arzneimittelversand außerhalb Deutschlands werden die Augen zugekniffen. Eine solche Kleine Anfrage war definitiv überfällig – wenn auch die Antwort darauf durchaus zu wünschen übrig lässt.
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